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Das Veteranendenkmal in Großwinternheim - Westseite


Autor und Foto: Hartmut Geißler



 

Auf der Westseite (der Kirche zugewandt) befinden sich auf dem dritten Quader von unten zwei Beschriftungen, die einem Gefallenen und einem Vermissten gewidmet sind, in einer kunstvollen lateinischen Schrifttype mit gelungener Raumverteilung und schönen Trennstrichen jeweils darunter. Die Trennpunkte befinden sich nach alter römischer Sitte in der Zeilenmitte.

Inschriften mit gleicher oder ähnlicher Type befinden sich noch auf der Rückseite und auf der Ostseite, jeweils in der gleichen Höhe auf dem dritten Quader von unten. Sie scheinen alle zugleich mit der Entstehung des Denkmales in in einem Zuge angefertigt worden zu sein.

Diese beiden hießen Jakob Mangold und Bernhard Klippel, letzterer galt als vermisst ("blieb"). Nach den Verlustzahlen, die für die Nassauischen Rheinbundtruppen in Spanien und für die Wehrpflichtigen aus Zornheim, Oppenheim und Nierstein ermittelt wurden, dürften auch in Großwinternheim die Verluste bei der Hälfte oder mehr gelegen haben. Nur zwei, wie hier auf dem Denkmal, sind mit Wahrscheinlichkeit zu wenige. Bei beiden korrigierte das Stadtarchiv das Geburts- bzw. Sterbejahr: Mangold wurde demnach 1791 geboren, und Klippel starb 1813.

Warum sind aber nicht auch die anderen Gefallenen beziehungsweise Vermissten aufgeführt?
Darüber kann man nur spekulieren: Gab es ihre Familien nicht mehr in Großwinternheim? Wollten diese nicht an den Verlust erinnert werden oder bei dem nostalgischen Napoleonkult nicht mitmachen? Oder hofften sogar manche noch auf eine späte Rückkehr von Vermissten, vor allem derjenigen aus Russland, auch nach drei Jahrzehnten?

Zuunterst steht in schmucklosen, etwas unbeholfenen lateinischen Großbuchstaben die einzige Inschrift, die zuerst den Familiennamen und dann den Vornamen nennt: ein zweites Mal ein "Lieb Anton"!

Da hierbei kein Geburts- oder Sterbedatum angegeben ist, könnte man zwar vermuten, dass es sich um eine zweite Person handelt, die zufällig denselben Namen trug wie der Anton Lieb, der schon auf der Frontseite oben festgehalten ist; das ist jedoch eher unwahrscheinlich, da man sonst sicherlich andere Daten zur Unterscheidung hinzu gesetzt oder eine Nummerierung vorgenommen hätte wie bei einem anderen Veteran, "Heinrich Hirstius 3.", dessen Familienname nochmals bei einem "Peter Hirstius" erscheint. Außerdem stimmen die Geburts- und Sterbejahre des zweiten doppelt verzeichneten Veterans (Joh. Bauer, s. u.) in der Tat überein, so dass dies wohl auch der doppelte Anton Lieb ein und dieselbe Person sein muss. Schließlich kennt auch Sanders Gedenkbuch nur einen Anton Lieb.

Warum also Anton Lieb zweimal?

Ein Erklärungsversuch geht vom unterschiedlichen Inhalt beider Beschriftungen aus:
Auf der Frontseite sind nur sein Name, seine Geburts- und Sterbejahre und die Tatsache, dass er ein Veteran war, verzeichnet. Dies könnte er selbst so gewollt haben und seine Nachfahren haben es nach seinem Tode möglicherweise entsprechend ergänzt - es sind seine persönlichen Daten. Viel mehr hätte an dieser Stelle auch keinen Platz gehabt.

Die Militärdienstdaten hingegen auf der Westseite, die für uns erfreulich detaillierte Informationen geben, könnten vielleicht, wie bei den meisten anderen Veteranen auch, vom Verein beziehungsweise den Kameraden stammen, denen an solchen Daten möglicherweise mehr gelegen war als der Familie. Darauf könnte auch die etwas distanziertere Schreibweise in der Reihenfolge 1. Familienname und 2. Vorname hindeuten.

Dieser Anton Lieb war also sechs oder sieben Jahre lang Soldat, wahrscheinlich ab seinem 20. Lebensjahr, das heißt von 1810 bis 1816 (so lange vielleicht wegen seiner englischen Kriegsgefangenschaft). Er diente im 39. Linien-Infanterie-Regiment und nahm an Feldzügen in Spanien und Portugal sowie zuletzt in Frankreich teil. Im Gedenkbuch von Sander erfahren wir schließlich noch ergänzend zu Lieb, dass er ein ,,winzer" gewesen ist.

 

Gs, erstmals: 18.12.05; Stand: 03.12.20