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Sebastian Münster im Portrait und sein Grab in Basel


Text: Dr. Gabriele Mendelssohn
in BIG 46, 2002, S. 52f.
Ergänzung mit Bildern und zur Frage des Grabes:
Hartmut Geißler und Reiner Letzner

 

"Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit war nicht nur gekennzeichnet von der Entdeckung der Welt, sondern auch von der des Menschen. So war die Renaissance mit ihrer Rückbesinnung auf die Antike auch die Zeit des wieder erwachenden Interesses am lebensnahen Portrait. Der Mensch als Individuum trat mehr und mehr in den Vordergrund. Mit Selbstbewusstsein ausgestattet und von dem Wunsch nach einem bleibenden repräsentativen Erscheinungsbild beseelt, ließ er sich gern von Künstlern verewigen. Die Künstler selbst errangen eine immer höhere soziale Stellung und überschritten die Grenze des Handwerkers. Anders als die namenlosen Künstler der vorherigen Epochen, wurden sie nach 1500 mit ihren Namen berühmt. Durch Albrecht Dürer (1471-1528) fand das künstlerische Individualbildnis auch in Deutschland Eingang in die Malerei und Druckgrafik. Seitdem blieb es für Künstler von ungebrochenem Interesse. Von Sebastian Münster gibt es eine große Anzahl von Portraits. Einige wurden noch zu seinen Lebzeiten, die meisten jedoch erst posthum angefertigt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass etliche Portraitisten auf frühere Bildnisse Münsters als Vorlagen für ihre Darstellungen zurückgriffen. Bei der Druckgrafik führte dies meist zu einer seitenverkehrten Wiedergabe. Besonders die Werke von Christoph Amberger, Rudolf Manuel und Christoph Murer waren beliebte Vorbilder."

"Der größte Teil der Bildnisse Münsters ist der Druckgrafik zuzuordnen, wobei die Spannweite der Techniken vom Holzschnitt, über die Radierung und die Lithografie bis zum Holzstich reicht. Diese Werke entstammen den Schriften von Sebastian Münster, in denen er als Autor abgebildet ist, oder finden sich in Portraitwerken beziehungsweise biografischen Abhandlungen. Ein verbreitetes Interesse an Lebensbeschreibungen und lebensnahen Bildnissen von Gelehrten, Humanisten und Reformatoren, deren Wirken von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, war schon bei den Zeitgenossen vorhanden. Der Buchdruck, in Kombination mit den Techniken des Holzschnitts und des Kupferstichs, kam entsprechenden Bedürfnissen besonders entgegen. Portraitgemälde von Sebastian Münster sind ebenso wie plastische Werke dagegen nur wenige vorhanden. Die Portraitisten kennen wir zum Teil aufgrund ihrer namentlichen Erwähnung oder einer vorhandenen Signatur. So gut wie alle Portraits von Münster sind ikonografisch dem Typus des Gelehrtenbildnisses zuzuordnen, dessen Tradition bis in die Antike zurückreicht. Die ersten nachantiken weltlichen Gelehrten erscheinen in Buchillustrationen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, denn in der Renaissance erfreute sich die Wissenschaft einer hohen Wertschätzung. Im Gelehrtenportrait wird der Dargestellte häufig durch Attribute gekennzeichnet. Zu den Attributen der Gelehrsamkeit gehören unter anderem Bücher oder Schriftrollen bei Geschichtsschreibern, Messinstrumente, Globen und Zirkel bei Naturwissenschaftlern sowie chirurgische Instrumente und der Äskulapstab bei Medizinern. Ab und zu können Inschriften die Attribute ersetzen. Eine Sonderform des Gelehrtenportraits entwickelte sich seit Anfang des 16. Jahr­hunderts: das Professorenbildnis. Es hatte vorwiegend dokumentarischen Wert und diente der ständischen Repräsentation. Universitäten, wie zum Beispiel die in Tübingen, Gießen, Jena und Basel, können auch heute noch ganze Professorengalerien vorweisen..."

Es folgende vier seiner Portraits aus der Sammlung von Hubertus von Lucke, Ingelheim, aus BIG 37 (Sebastian Münster in Wort und Bild), zwei Holzschnitte und zwei Kupferstiche:

 

Holzschnitt von Hans Rudolf Manuel Deutsch (1525-1571) aus der lateinischen Ausgabe der Cosmographie von 1550 - Vorbild für viele NachschnitteHolzschnitt eines unbekannten Künstlers in einem französischen Werk, der den Schnitt von Deutsch seitenverkehrt benutzt


Kupferstich von Henricus Hondius d.Ä., s'Gravenhage 1602Kupferstich von Theodor de Bry, Frankfurt 1597-99

 

In der letzten Auflage der Cosmographie von 1628 wurde die unten folgende Seite zur Vorstellung des längst verstorbenen Autors verwendet, mit einem Bild von ihm, das in der Nachfolge des Deutsch-Portraits steht, und mit zwei Texten, deren oberer wohl lesbar und verständlich ist.

Bemerkungen zum oberen Text:
- Als Geburtsjahr nimmt man heute mit Burmeister allerdings das Jahr 1488 an.
-
"in der Pfalz" meint sicherlich nicht in der alten Kaiserpfalz, die damals schon lange, auch von Sebastian Münster selbst, nur "Ingelheimer Saal" genannt wurde, sondern das Kurfürstentum der Rheinpfalz.
- Karl der Große ist wahrscheinlich nicht in Ingelheim geboren, eine Sage aus staufischer Zeit.
- mit "Thumb=kirchen" ist der Baseler Dom gemeint;

Sebastian Münster war also im Baseler Münster nicht nur begraben worden, sondern es wies auch eine Erinnerungstafel mit dem abgedruckten Text auf seine Verdienste hin, und zwar beim sogenannten Reformatorengrab in der Mitte der Südwestseite des Großen Kreuzgangen, auf dessen Außenseite (!) bis heute die Statue seines Freundes Oekolampad(ius) steht, des wissenschaftlichen Kollegen und Pfarrers am  reformierten Münster.

Dort war Münster nach den jüngsten Forschungen von Reiner Letzner zusammen mit drei Basler Reformatoren (Jakob Meyer zum Hirzen, Johannes Oekolampad und Simon Grynäus) im sog. "Reformatorengrab" bestattet worden, und zwar in der Grabkammer des Ökolampad (s. Reiner Letzner in BIG 55, S. 19 ff.).

Münsters Grab-Tafel selbst ist leider verloren. In einem Antwortschreiben des Verkehrsvereins in Basel vom 23.01.1908 auf eine Anfrage des Historischen Vereins heißt es:

"Unsere Bemühungen den Grabstein Sebastian Münster's hier ausfindig zu machen, waren erfolglos; auch den hiesigen Kunsthistorikern ist dessen Lage unbekannt. Jedenfalls muss der Stein (wahrscheinlich im Kreuzgang) horizontal gelegen & die Schrift zertreten sein. Wir können Jhnen daher einzig mit der beiliegenden Abschrift der Grabinschrift dienen."

Ob es auch die folgende Abbildung enthielt oder nur den Text darunter, ist unklar. Jedenfalls wird dieser untere lateinische Text auch in einer Beschreibung der Grabmale im Baseler Dom aufgeführt ("Basilea Sepulta...") von Johann Georg Groß und Johannes Tonjola aus dem Jahre 1661 (Übersetzung siehe unten!).

Der untere, lateinische Text bedeutet:

DER DEUTSCHE ESRA UND
STRABO LIEGT HIER BEGRABEN.
WENN DU MEHR WISSEN WILLST, DANN WIRST DU ERFAHREN:
SEBASTIAN MUNSTERUS AUS INGELHEIN
THEOLOGE UND KOSMOGRAPH,
UNTER DEN ERSTEN DER GRÖSSTE, HAT DEM FEST DER HIMMELFAHRT
IM JAHRE DES HEILS 1552
ÄLTER ALS 60 JAHRE, DURCH EINEN FROMMEN TOD
GLANZ VERLIEHEN.

Das bedeutet, dass Sebastian Münster am Himmelfahrtstage 1552 verstorben ist, also am 26. Mai.

Verglichen wird er in der Inschrift einerseits mit dem großen jüdischen Schriftgelehrten Esra (in der Vulgata, der lateinischen Bibel-Übersetzung, in der Namensform „Esdras“) sowie dem bedeutenden griechischen Geographen Strabo.

 

Gs, erstmals: 20.07.06; Stand: 21.12.20