Verfasser und Foto: Hartmut Geißler
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Nach Krämer, S. 36, soll das Epitaph von Hans und ebenso das von Wilhelm von Ockenheim daneben von einem "Magister Valentinus lapicida de Maguntia" geschaffen worden sein. Dieser sei in Friedberg geboren und nach Mainz gekommen, wo "er 1482 als geschworener Werkmeister des Baues zu Mainz im Dienst der Stadt" war. Er soll den Kreuzgang von St. Stephan gebaut haben und 1502 dort auch bestattet worden sein. Dazu verweist er auf Klingelschmitt im Jb f. d. Bistum Mz 1947, Bd. 2, II 227 ff.
Ich habe in der Literatur noch keine klare Antwort auf die Frage gefunden, ob die damaligen Steinmetze figürliche Epitaphien typisierend auf Vorrat anfertigen und nur noch die Umschrift und die Wappen anbringen ließen, wenn sich eine Familie dafür entschieden hatte, oder ob das Ganze jeweils eine Auftragsarbeit war. Das zu wissen, wäre aber eine notwendige Basis für eine sachgerechte Interpretaion der Darstellung.
Die Wappen links und rechts über seinem Kopfe sind in der Zeit der französischen Revolution herausgemeißelt worden. Nach Helwich waren es:
Ingelheim Wolf von Sponheim
Der Ritter steht hier, ganz gradeaus gewendet, im Plattenpanzer auf einem Löwen; die Rechte an die Streitaxt, die Linke an die Parierstange des umgehängten Zweihänders gelegt. Die Rückplatte ist unverjüngt bis oben durchgeführt, nur die oberen Ecken sind abgeschrägt...
(Rauch, Kunstdenkmäler, S. 505-506)
Er steht mit spitzen Schuhen auf einem Löwen, wie ihn der Steinmetz wohl von staufischen Darstellungen, kaum aus der Natur kannte, und hier mit einem unendlich langen Schwanz.
Der Löwe entsprach dem Wahlspruch für die Tugendhaftigkeit der Ritter (Psalm 91, Vers 13):
"Super aspiedem et basiliscum ambulabis et concalcabis leonem et draconem." - Über Nattern und Basilisken wirst du wandern und zertreten Löwen und Drachen.
Solche Tiere oder kleine Ungeheuer finden sich auf mehreren Epitaphien der Burgkirche. Diese Symbolik war schon seit der Spätantike (5. Jh., Nordafrika und Ravenna) üblich, vor allem in Verbindung mit Jesus Christus.
Die folgende Illustration stammt aus dem sog. Stuttgarter Psalter, einer zwischen 820 und 830, also in der Zeit Ludwigs des Frommen, in der Abtei Saint-Germain-des-Prés bei Paris entstandenen karolingischen Bilderhandschrift. Sie deutet das alttestamentarische Motiv in den siegreichen christlichen Ritter um, der auf einen Drachen und einen Löwen tritt.
Das Motiv und seine Worte waren durch die sehr häufig gesungenen Psalmen stets präsent.
Hansens lateinisch-deutsche Umschrift,
geschrieben in gotischen Minuskeln,
lese ich unter Zuhilfenahme von Helwich und Rauch wie folgt:
1. rechts: anno • d(omi)ni • m • cccc • lxxx • penultima • die • marcij • starb • der • holtselig /
= anno domini millesimo quadringentesimo octogesimo penultima die martii... (Im Jahre des Herrn 1480 am vorletzten Tag des März = 30.03.) starb der holdselige...
2. links: ... loiblich • strenge • her + hanß • von • Ingelnhey(m) • rytter • de(m) • gott • gnade /
... löblich strenge (= tapfere) Herr Hanß von Ingelheim, Ritter, dem Gott Gnade [schenke].
Der genaue Todestag und der Name wurden üblicherweise auf den Beschriftungen genannt, um ein regelgerechtes Gedenkgebet für den Verstorbenen zu ermöglichen, damit Gott ihn so bald wie möglich aus dem Fegefeuer erlöse ("dem gott gnade").
Seit etwa 1480 setzte sich nach Scholz, S. XXIX, die deutsche Sprache bei solchen Gedenkumschriften durch. Die Umschriften seiner Eltern Mia Werberg und Philipp von Ingelheim waren noch ganz in Latein gehalten.
Das Hinzutreten von Eigenschaftswörtern (Epitheta) wie "strenuus" - bei Hans gleich drei (!): "holtselig, löblich, streng" - beobachtete Scholz in den Inschriften des Kreises Bergstraße ab 1482 "fast regelmäßig" (S. XXIX). Wir würden diese drei Eigenschaften heute vielleicht mit "höflich, ehrenhaft und tapfer" ausdrücken. In der letzten Urkunde des berühmten Ritters und Dichters Oswald von Wolkenstein in Meran, am 6. Juli 1445, wird er am Ende auch mit drei Adjektiven geschmückt: "edel, streng und vest" (Kühn, Wolkenstein, S. 536).
Hans wird in der Umschrift ausdrücklich "Rytter" genannt und hat am teuren Turnier-Harnisch mit der damals modischen Wespentaille den Rüsthaken zum Einlegen der Lanze.
Er war u. a.
- Burgherr zu Klopp (im mainzischen Bingen)
- Zollherr von Ehrenfels (sehr ertragreich!)
- Lehensherr des Klosters Lorsch
- Lehensherr des Kirchensatzes von Bettenheim (ehemaliger Hof mit eigener Kapelle nordöstlich von Sprendlingen)
- Lehensherr von Schweppenhausen
Verheiratet war er seit 1454 mit einer "Elisabeth Wolfin von Sponheim" (zwei Grabmale weiter rechts).
Er hatte einen (weltlichen) Bruder, mit dem er den Nachlass seines Vaters Philipp gemeinsam geerbt habe (Haderbuch OI 1476, f. 185).
Am 7. Dezember 1451 wurde er zum Schöffen in Ingelheim gewählt.
In den Jahren 1470 und 1475 war er (nach Franck, S. 223) jeweils einer der beiden Bürgermeisten in Oppenheim, wo auch 1464 und 1471 sein Verwandter Heinrich Wolff von Sponheim als Bürgermeister amtierte.
Im Jahre 1471 war er mit seinen Leuten an der kurpfälzischen Belagerung von Wachenheim beteiligt (Kremer, Urkunden, S. 440).
Er soll so vermögend gewesen sein, dass er dem Kurfürsten Dietrich von Mainz (1434-1459) ein Kapital von 780 Gulden leihen konnte (alle Angaben von Rudolf Echter). Es war freilich nicht ungewöhnlich, dass Mitglieder des Beraterkreises einem Kurfürsten Kredite gaben oder für ihn bürgten, so auch der Vater von Johannes' Mutter, Henne Werberg von Lindenfels (Brandenstein, S. 342).
In einer Urkunde vom 6. Februar 1470, in der Deputierte der Reichsstädte Hagenau, Colmar, Schlettstadt und Oberehnheim im Streit zwischen Pfalzgraf Friedrich I. und der Stadt Weißenburg vermitteln, befindet sich unter den sechs Adligen, die als Schiedsgericht fungierten, auch "herre Hannsenn vonn Ingelnheim", an fünfter Stelle, zusammen mit: "jungkher Ludwigen, herren zu Liechtenberg; juncker Diethernn vonn Sickingen, hoffmeister; herr Wolffen vonn Dalburg; herren Hannsen vonn Cronberg; herre Hannsenn vonn Ingelnheim; und herre Symon vonn Walßhoven, rittere" (Schaab/Lenz, Urkunden, S. 287-289)
Die generationenlange Erfahrung der Herren zu Ingelheim bei den Ingelheimer Gerichten (s. Oberhof und Haderbücher) mag Hans von Ingelheim hierbei zugutegekommen sein.