Ernst Eckhard

 

aus: Meyer-Klausing, S. 503-507

 

"Ernst Eckhard wurde am 9. März 1906 in Ober-In­gelheim geboren. 1929 hatte er als Beruf in die Wahl­vorschlagsliste der KPD Ober-Ingelheim „Elektro­monteur" eingetragen. Er arbeitete zuletzt bei der Firma C. H. Boehringer in Nieder-Ingelheim und war ab 1923 Mitglied der KPD, Ortsgruppe Ingelheim.

Neben Personen wie Karl Renth, Willi Hassemer und Heinrich Renth zählte er zu den bekanntesten KPD- Funktionären Ingelheims. Er war vom 1. Oktober 1932 bis Februar 1933 als Sekretär des Internationalen Bundes der Opfer des Krieges und der Arbeit für den Bereich Mainz-Wiesbaden tätig. Hier vertrat er andere KPD-Mitglieder in zahlreichen Gerichtsverfahren. Eckhard trat in der Öffentlichkeit als große rhe­torische Begabung in Erscheinung, sprach in Veranstaltungen im Saal der Gast­stätte Am Lindenberg, später Burg Horneck, und im Saalbau Aschwanden.

Auch am 19. Dezember 1931 sollte Eckhard in Ingelheim auf einer von der KPD organisierten Veranstaltung als Redner zum Thema „Der wirtschaftliche Auf­bau und die Lage der Arbeiterklasse in der Sowjet-Union" sprechen. Eine neue Notverordnung machte das Vorhaben aber zunichte. Der Ortsgruppe Ingel­heim der Kommunistischen Partei war mit Schreiben vom 15. Dezember 1931 durch das Hessische Kreisamt unter Bezugnahme auf die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 mitgeteilt worden, dass „die von Ihnen für Sonnabend, den 19. Dezember [ ... ]vorgesehene Vortragsveranstaltung [ ... ] Redner: Ernst Eckhard, Ober-Ingelheim[ ... ] nicht zugelassen werden kann". Nach der Aufhebung des Versammlungsverbotes lud die KPD Ingelheims am 7. und 9. Januar 1932 per Inserat zu einem Vortragsabend mit Lichtbildern in den Saalbau Aschwanden ein. Hier sprach Ernst Eckhard zum Thema: „Der Sozialistische Aufbau und die Lage der Arbeiterklasse in der Sowjet-Union". Die Ingelheimer Zeitung be­richtete am 13. Januar 1932 ausführlich über die Versammlung, die von etwa 450 Personen besucht worden war.

Wie eng Eckhard der politischen Führung Russlands verbunden war, zeigt auch die Tatsache, dass er an der Revolutionsfeier am 7. November 1931 in Mos­kau teilgenommen hatte und sich mehrere Monate in Russland aufhielt. Mehr­fach besuchte er die Sowjetunion. Die politischen Entwicklungen wie die Kol­lektivierung der Landwirtschaft galten ihm als vorbildhaft.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Eckhards politisches Engagement vorläufig beendet. Von Juni 1933 bis zu seiner Verhaftung im Okto­ber 1933 stand er unter Polizeiaufsicht und musste sich zweimal täglich (vormit­tags um 9:00 Uhr und nachmittags um 16:00 Uhr) bei der Polizei melden. Eck­hard wurde Anfang Oktober 1933 verhaftet, dabei wurde er blutig geschlagen und in das KZ nach Osthofen gebracht, wo er vom 7. bis zum 20. Oktober inhaf­tiert war. Nach seiner Entlassung - nach seiner eigenen Einlassung ein Versehen - flüchtete er zunächst nach Saarbrücken. Die Hessische Staatspolizei schrieb Eckhard am L Dezember 1934 zur Festnahme an alle Staatspolizeistellen, Kreis- ­und Polizeiämter aus.

Nach wie vor betätigte er sich im Untergrund für die KPD, zuletzt in Saarbrücken. Laut Polizeibericht galt er als Kurier im Reichsge­biet und führender Kopf einer „kommunistischen Terrorgruppe". Vom Saargebiet aus verschlug es Eckhard 1935 nach Paris. Paris stellte ein wichtiges Zentrum für deutsche Emigranten dar. Vorübergehend hielten sich hier etwa 3 000 Sozialdemokraten, etwa 5 500 Kommunisten und Vertreter an­derer in Deutschland verbotener Organisationen sowie verfolgte Schriftsteller und Künstler auf.

Als deutscher Emigrant kam er in das Lager Meslay-Du­maine, Departement Mayenne, wo er in einer unter französischem Kommando stehenden Arbeitskompanie mit Kanal-Schachtarbeiten beschäftigt war. Hier lernte er 1936 seine Frau Haye Neisloss, eine jüdische Emigrantin aus Riga, ken­nen. Sie heirateten am 26. April 1940 im Lager Meslay-Dumaine, Ernst Eckhard war nun - nach der Terminologie der Nationalsozialisten - ein „Rasseschänder". Im August 1940 aus der Arbeitskompanie entlassen, lebte er mit seiner Frau bis zum 1. Dezember 1940 in Toulouse, danach bis April 1941 in Salies-du-Salat (Depatement Haute-Garonne). Am 16. Januar 1941 kam ihre Tochter Edith zur Welt. Ab April 1941 lebte die Familie dann in Mane.

Eckhard gehörte während des Krieges zur französischen Widerstandbewegung, der Resistance. Als ab November 1942 das Gebiet von Mane von deutschen Truppen besetzt wurden, lebte Eckhard unter seinem Namen mit französischen Papieren in einem Zim­mer (3 x 4 Meter groß) versteckt, meist von Frau und Tochter getrennt, da sie als Jüdin verfolgt wurde.

1945 kam Ernst Eckhard zurück nach Ingelheim, um zu klären, ob er seine Familie nach dort bringen könnte. Er führte die Liste der KPD zur Stadtratswahl am 15. September 1946 an und wurde zusammen mit Wilhelm Ph. Hassemer in den Stadtrat gewählt. Allerdings konnte Eckhard nie verpflichtet werden. Dies ergibt sich zum einen aus Zeitungsberichten, in denen es sowohl bei der Einführung und Verpflichtung der Mitglieder des neu gewählten Stadtrates als auch bei der ersten Sitzung des Gremiums heißt, dass Ernst Eckhard entschuldigt fehlte. Aufklärung bringen hier ein Protokoll und ein Schreiben der Stadt Ingelheim an den Landrat des Kreises Bingen. Eckhard war allerdings in der kurzen Phase seines Hierseins nach 1945 nicht nur parteipolitisch aktiv, er trat ebenso als engagierter Gewerkschafter in Er­scheinung. So auch bei der Gründungsversammlung von fünf Einzelgewerk­schaften für den Bezirk Ingelheim im Saal der Gaststätte Burg Horneck, bei Wedekind, wo er als Redner auftrat.

Nach 1946 erhielt Eckhard eine Einreiseerlaubnis nach Frankreich, um seine Familie nach Ingelheim zu holen. Von dort konnte jedoch nicht nach hier ein­gereist werden, die französischen Behörden verhinderten dies und begründeten es mit der schlechten Versorgungslage in der französischen Zone. So arbeitete er sechs Monate in einem Füllhalteratelier, anschließend bis 1949 in einem Kinder­heim. Bereits am 17. September 1948 war das zweite Kind, Michel, geboren wor­den.

Schließlich kam Ernst Eckhard mit seiner Frau und den beiden Kindern im August 1950 nach Ingelheim. Anscheinend bekam die Familie in Ingelheim je­doch die Ablehnung der Bevölkerung zu spüren, die zum einen darauf beruhte, dass Eckhard Deutschland unter der NS-Herrschaft verlassen hatte und zum an­deren auf dessen intensivem Engagement für die ehemalige KPD und jetzige KP. Außerdem hatte seine Frau Haye Schwierigkeiten hier zu leben, da sie durch die Verfolgung und Ermordung der Juden durch die deutschen Nationalsozialisten fünf Schwestern, zwei Brüder und die Mutter verloren hatte. Es gelang der Fami­lie nicht, in Ingelheim Fuß zu fassen und im August 1951 kehrte sie schließlich nach Frankreich zurück.

Anfang der 1960er Jahre stellte Ernst Eckhard einen Antrag auf Entschädigung beim Amt für Wiedergutmachung in Mainz, welcher jedoch abgelehnt wurde. Das anschließend von ihm angestrengte gerichtliche Verfahren zog sich über mehrere Jahre, bis zum 17. Oktober 1968, hin. An dem Tag wurde ein Vergleich beim Landgericht Mainz geschlossen.

Nach der erneuten Übersiedlung nach Frankreich kam Ernst Eckhard mehr­mals nach Ingelheim, um seinen Bruder zu besuchen. So auch 1973. Auf der Fahrt erlitt er am 24. Februar 1973 einen schweren Asthmaanfall, der zum Ersti­ckungstod führte. Er wurde im Ober-Ingelheimer Familiengrab auf dem Fried­hof in der Rotweinstraße beigesetzt... "

 

Gs, erstmals: 21.11.13; Stand: 26.03.21