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Palatium, Königspfalz, Kaiserpfalz, Palast, Pfalz, Kurpfalz, Rheinpfalz, Rheinhessen-Pfalz, Bezirksverband Pfalz, Palzwoi

 

Autor: Hartmut Geissler
unter Verwendung von: Die Pfalz. Probleme einer Begriffsgeschichte. Referate und Aussprachen. Hg. v. Franz Staab, Speyer 1990
und: Winterling, Aloys: Aula Caesaris, München 1999 mit dem Anhang "Palatium" und "Palast"


Vorbemerkung

Da Ingelheim eine berühmte Pfalz Karls des Großen hat, die "Kaiserpfalz", und außerdem vier Jahrhunderte zur "Kurpfalz" gehörte, ohne heute zur "Pfalz" gerechnet zu werden, erscheint es sinnvoll, die Bedeutungsgeschichte dieses Begriffes "Pfalz" hier nachzuzeichnen, um seine verschiedenen Verwendungsbereiche auseinanderhalten zu können.
 

1. In römischer Zeit (nach Castritius)

Entstanden ist der Begriff Palatium durch Übertragung vom Namen des mittleren der sieben Hügel Roms (mons Palatinus) auf die Villenanlagen, die sich die frühen römischen Kaiser, beginnend mit Augustus, dort errichteten. Dieser Sprachgebrauch kam allmählich am Ende des ersten Jahrhunderts auf. Und da in der römischen Politik die Privatsphäre nicht von der politisch-öffentlichen Sphäre getrennt war, wurde der Name dieses ursprünglichen privaten Baukomplexes auch bald auf das politische Handeln übertragen, das dort stattfand, auf Gesandtenempfänge, Senatssitzungen und Ähnliches. Palatium wurde also von den Gebäuden auf Abstraktes übertragen, es wurde zum Synonym für den Regierungssitz und das Regierungshandeln der Kaiser.

Seit dem letzten Drittel des 3. Jahrhunderts waren die römischen Kaiser zunehmend gezwungen, sich an den Brennpunkten des Reiches aufzuhalten und Grenzkriege zu führen. Und so wurde es Sitte, dass die Räumlichkeiten, die sich die Kaiser überall dort, wo sie sie nun brauchten, errichten ließen, losgelöst von Rom auch palatium genannt wurden, bzw. in griechischer Fassung βασίλεια, zurückübersetzt ins Lateinische auch regia. "Palatium" war nun überall dort, wo sich der Kaiser aufhielt und regierte.

Also: palatium = βασίλεια = regia

Durch die Sakralisierung der kaiserlichen Sphäre seit dem Ende des 3. Jahrhunderts wurde oft das Adjektiv sacrum hinzugesetzt, also z. B. sacrum palatium = heiliger Palast/heilige Regierung.

Während anfangs die Begriffe palatium und praetorium, das erste als Sitz von Kaisern, das zweite als Sitz von "lokalen Funktionsträgern" (Castritius S. 18), strikt auseinandergehalten wurden, ergab sich im 5. Jahrhundert im oströmischen Reichsteil die Tendenz, beide zu vermischen. Bischof Hinkmar konnte deswegen im 9. Jahrhundert schreiben: praetoria, quae nunc regia, usitatius palatia nominantur – Regierungsgebäude, die jetzt Regia genannt werden, normalerweise aber Palatia.


2. In merowingischer Zeit (nach Staab)

In merowingischer Zeit wurde das Wort palatium weiter verwendet, insbesondere weil die merowingischen Könige formal im Auftrag des oströmischen Kaisers handelten und sich dadurch diesen mit dem Kaisertum verbundenen Begriff aneignen konnten. Das Wort behielt auch weiterhin beide Bedeutungen, lokal als Residenz und personal als königliche Regierung, dem Begriff aula entsprechend. Dabei scheint die personale Bedeutung sogar die dominierende gewesen zu sein.

Staab formuliert:

"Was uns darin so ungeregelt vorkommt, wurde zweifelsohne deshalb möglich, weil palatium entgegen dem heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch (,Pfalz Goslar‘, ‚Pfalz Aachen‘) eben nicht regelmäßiges Attribut der zugehörigen Ortsnamen war... Hinzu kommt schließlich vor allem, daß palatium in den Urkunden, selbst da, wo ein Ort mitgenannt wird, nicht bloß das Gebäude, sondern auch die Hofversammlung, besonders als Gerichtsversammlung, bedeutet. Das palatium wird sozusagen erst durch eine Handlung bei Hof vor dem König Realität. Dabei ist daran zu erinnern, daß der comes palatii nur einfach besetzt ist, ebenso wie der maior domus, beide Ämter also gleichfalls diesen überörtlichen Charakter tragen.

Daraus folgt: Für die Merowingerzeit ist der moderne Fachausdruck ‚Königspfalz‘ sicherlich anwendbar und auch sinnvoll, wenngleich die Doppelbedeutung von palatium als ‚Haus des Königs - königliche Hof-, Gerichts-, Regierungsversammlung‘ dabei nicht vergessen werden darf … Ähnliches ist ja auch bei dem häufigen Wort fidelis (‚Christgläubiger - Getreuer des Königs‘) gegeben. Selbst in späterer Zeit kann palatium, trotz fester werdenden Bindungen an Ortsnamen, nicht verengend nur als ‚Königspfalz‘ verstanden werden." (S. 66 f.)

 

3. In karolingischer Zeit (nach Zotz)

Die Doppelbedeutung von palatium – einerseits personal als Regierung und andererseits lokal als Regierungsgebäude – bleibt in karolingischer Zeit bestehen. Zotz setzt das Palatium regale geradezu mit der Domus regia gleich, also Königspalast gleich Königshaus.

Die Ortsangaben der Annalisten scheinen auf den ersten Blick willkürlich verwendet worden zu sein, einmal curtis, einmal villa, ein anderes Mal palatium (und immer häufiger nur der Ortsname). Zotz glaubt aber nachweisen zu können, dass die Wahl des Begriffes von der jeweiligen Perspektive abhängig ist, ob also als Reiseziel der Königshof ganz allgemein angegeben wird oder konkret die Palastgebäude, das palatium, um dort zu regieren.

Ob palatium im Eschatokoll, also bei den Schlussformeln einer Urkunde, angegeben wird, hängt nach seiner Meinung von verschiedenen Faktoren ab, von den Herrschaftsvorstellungen des Königs oder vom Interesse des Urkundenempfängers, für den die Angabe in palatio eine größere Autorität zu garantieren schien. Das ist plausibel, aber man kann noch hinzufügen: auch von den verwendeten Vorlagen, denn neue Urkunde wurden häufig weitgehend von älteren abgeschrieben.

Zotz stellte zusammenfassend fest:

"Die Synonymie von palatium und domus, wie sie sich u. a. bei Hincmar von Reims ergibt, läßt die Pfalzformel im Eschatokoll von Urkunden durchgängig als Ortsangabe erscheinen, nicht als Hinweis auf die Versammlung bei Hofe, wie dies seit dem 11. Jahrhundert am Begriff curia zu beobachten ist. Von daher hat man also den Zusatz in palatio regio (o.ä.) zum Ortsnamen im Eschatokoll von Urkunden der Karolingerzeit durchweg als Hinweis auf die Existenz eines örtlichen palatium zu verstehen, ohne daß damit unbedingt eine Aussage über die Größe und Repräsentanz der jeweiligen baulichen Anlage verbunden wäre." (S. 98). - Über die Größe und Repräsentanz des Ingelheimer Palatiums gibt es freilich keinen Zweifel.

(Kommentar Gs: Zotz berücksichtigte nicht den Wandel des Eschatokolls, der schon in der spätkarolingischen Zeit unter König Arnolf deutlich einsetzte: Von 166 echten Urkunden waren 138 = ca. 83% mit bloßem Ortsnamen gekennzeichnet, nur mehr 6 = 3,6 % mit palatium, 21 = 12,6 % mit curtis und 1 mit villa. Curtis bekam dabei sogar noch das Übergewicht gegenüber dem fast ganz verschwundenen palatium. Auch der folgende Beitrag von Streich griff diese erklärungsbedürftige Phänomen nicht auf.)
 

4. Im Hochmittelalter (nach Streich)

"Wir können also für die ottonische Zeit eine weitgehende Einschränkung der Verwendung des Palatium-Begriffs sowohl in der offiziellen Urkundensprache als auch bei der zeitgenössischen Chronistik feststellen. Von nur ganz wenigen Ausnahmen - hier vor allem dem Magdeburg Ottos I. - abgesehen, wird der Ehrentitel Palatium fast ausschließlich den alten karolingischen Pfalzen wie Aachen, Ingelheim (hier irrt Streich; Gs) und Frankfurt zuerkannt, wobei sich eine zunehmende Konzentration auf Aachen, die Pfalz, mit der das Andenken an Karl den Großen am nachhaltigsten verbunden war, herauskristallisiert. Es findet also eine gewisse Tabuisierung statt, die ihre Entsprechung in einer immer deutlicher greifbaren Politik der Renovation des Karlsreiches unter den späten Ottonen hat und schließlich zur verfassungsgeschichtlich bindenden Tradition des Aachener Krönungsortes führt. Aachen mit dem Thronsitz und der Grabeskirche des ersten Frankenkaisers wird allmählich zur einzigen echten Pfalz und zur ideellen sedes des deutschen Regnum; im italienischen Regnum blieb Pavia diese Stellung vorbehalten." (S. 108) Diese "Tabuisierung" von Aachen lässt sich bei der Durchsicht aller Eschatokolle nicht erhärten. Dass bei Aachen ab und zu, keinesfalls immer "palatii/palatio" hinzugesetzt wird, lässt sich leichter damit begründen, dass der Ortsname "Aquae", gleichbedeutend mit dem deutschen "Baden", eine Unterscheidung von vielen gleichnamigen Orten im frankophonen Raum brauchte, die durch den Genitiv Grani, also "Baden des Granus", oder palatii (falsch palatio), also "Baden des Palastes" erreicht wurde. (Gs 2021)

"Mit der Bestätigung eines Vergleichs in palatio Hagenowe in generali curia 1235 wird – soweit ich das übersehe – zum letzten Male ein Pfalz ausdrücklich als Ausstellungsort einer deutschen Königsurkunde genannt." (S. 111)

"In der Stauferzeit ist die Entwicklung zur Burg abgeschlossen." (S. 123)

"Das nachstaufische deutsche Königtum kennt keine Pfalzen mehr, weder im speziellen Wortgebrauch noch als vergleichbare Einrichtungen im baulichen, administrativen und rechtlichen Sinne… Die landesherrlichen Residenzen des späten Mittelalters werden stets als Burgen (castra) und später als Schlösser bezeichnet." (S. 124)
 

Nach eigener Durchsicht (Gs) gilt für Ingelheim:

Wie allgemein im ostfränkischen Reich setzte man unter Otto I. neben den schon Ortsnamen meist noch die Angabe palatium hinzu. Die letzte Urkunde, die in Ingelheim mit der Ortsangabe actum Ingelheim in palatio ausgefertigt wurde, stammt von Otto II. als König, aus der Zeit, als sein Vater, der Kaiser Otto I., noch lebte, vom 23. Mai 965, vielleicht um die Autorität des Sohnes zu unterstreichen.

Seit Otto III. wird für Ingelheimer Diplome nur noch der einfache Ortsname benutzt. Das bedeutet, dass auch in dem alten karolingischen Pfalzort Ingelheim der Begriff palatium aus dem Gebrauch der Königsurkunden schwindet, obwohl Ingelheim selbst von den damaligen Königen sehr oft aufgesucht und bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts hinein für große Veranstaltungen benutzt wurde. 

In keiner der (wenigen) Urkunden aus der Zeit der Salier und Staufer, die in Ingelheim ausgestellt worden sein sollen, wird als Verhandlungsort ein "palatium" genannt, sondern es wird nur noch der Ortsname verwendet. Und zur Bezeichnung des befestigten Saales bei der Belagerung durch Wilhelm von Holland 1249 benutzten die zwei Chroniken als Ortsangaben "castrum regium", "curtis regia" und "regalis curia".

 

Zwischenbilanz:

Etwa zwei Jahrhunderte lang – von Karl dem Großen bis zu Otto II. – hatte Ingelheim Anteil am Gebrauch des Begriffes palatium/Palast für einen Ort königlich-kaiserlichen Regierens. Danach wurde zwar noch ein knappes Jahrhundert bisweilen weiter im Fiscus, in der Villa Ingelheim regiert, auch sehr große Feste wurden auf dem weitläufigen Gelände gefeiert, aber der Begriff palatium wurde nicht mehr verwendet.

Das mag der Grund dafür sein, dass er sich in der Ingelheimer Volkssprache – in Deutsch – nicht erhalten hat, falls er hier überhaupt jemals aus dem offiziellen Sprachgebrauch übernommen worden war.

Das, was wir heute für die Palastanlage Karls des Großen halten, wurde in allen Dokumenten des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit stets nur der "Ingelheimer Saal" genannt oder lateinisch "Aula". Ob dabei das Wort Saal vom germanischen Begriff Salland = Herrenland übernommen wurde oder als Rückübersetzung von Aula = Hof, also Saal entweder als Besitz oder als Hof der früheren Könige, das sei dahingestellt.

Erst als auswärtige Gelehrte im Zuge eines erwachenden Nationalbewusstseins sich seit dem 18. Jahrhundert und verstärkt im 19. Jahrhundert auf die Suche nach der berühmten Ingelheimer "Kaiserpfalz" Karls des Großen machten, deren frühere Existenz aus der Lektüre Einhards und anderer lateinischer Quellen in den Köpfen der gelehrten Welt stets präsent geblieben war, wurde der Begriff Pfalz bzw. Kaiserpfalz für ein Gebäudeensemble von außen nach Ingelheim getragen.

Unabhängig davon kam das Wort "Pfalz" schon viel früher wieder nach Ingelheim, aber in völlig anderer Bedeutung. Nachdem auch der Ingelheimer Grund im 14. Jahrhundert eine Reichspfandschaft der Heidelberger Kurpfalz geworden war, der "Pfalz bei Rhein", wurden die Ingelheimer für etwa vier Jahrhunderte zu "Pfälzern". Damit war der Begriff palatium/Pfalz anders besetzt.

 

5. Zur Wort- und Namensgeschichte eines romanischen Lehnworts lat. <palatium>, dt. <Pfalz> (nach Haubrichs)

Der Autor möchte den Wandel der Begriffsbedeutung vom lateinischen palatium und seinen Derivaten bis zur sog. transpersonalen und territorialen Gestaltwerdung des Begriffs Pfalz … und dann wiederum zur Bezeichnung des Pfalzgrafen zurückverfolgen.

Aus der schon in der Antike üblich gewordenen Doppelbedeutung von palatium – personal und lokal – ergab sich nach Haubrichs auch die Doppelung der Bedeutung in den romanischen und germanischen Übernahmen des lateinischen Wortes. Der sprachwissenschaftlich komplizierte Prozess der Entstehung von betreffenden Lehnwörtern soll hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden.

Haubrichs stellt die Ableitung auf S. 139 etwa so dar:

Aus den lateinischen Ableitungen von Palatium – Palantina, Palintia, Palantinus, Palantianus – wurde westgermanisch *palant(s)ja, *palint(s)ja, davon althochdeutsch in zwei Varianten (auf a und auf i) p(f)alanza bzw. p(f)alinza, was zur Pfalz bzw. zu Ortsnamen wie P(f)ellenz wurde.

Frühe deutsche Erklärungen lateinischer Texte setzten den lateinischen Begriff aula mit Hof, mit falanza (Pfalz), mit forzih (porticus) gleich, also den "Königshof" mit der "Pfalz" (S. 149). So bezeichnete auch die mittelhochdeutsche Literatur den Königshof als p(f)alenz, palenz (Pfalz). Zum Teil komme es zu Überschneidung mit dem ostfranzösischen Lehnwort palas (S. 152).

Schließlich habe sich die Bedeutung des Begriffes in zwei Richtungen ausgeweitet (Extensionsrichtungen): in eine territorale Bedeutung von Pfalz als Pfalzbezirk, d.h. der Bezirk eines Pfalzgrafen, und in eine funktionale Bedeutung im Sinne eines damit verbundenen Amtes. (S. 154)

6. Die Wittelsbacher Teilungen und die dynastische Räson (nach Spieß)

Spieß zeichnet die wiederholten Versuche der Wittelsbacher nach, ihre großen Territorien (dem Herzogtum Bayern und die Pfalzgrafschaft bei Rhein) gemeinsam zu regieren; alle scheiterten.

Ausführlich befasst er sich mit der Rupertinischen Konstitution von 1395 und ihren Bestimmungen über geistliche Laufbahnen für Söhne, die nicht erben sollten, sowie mit den testamentarischen Bestimmungen des Königs Ruprecht 1410 (S. 167-177).

Er beendete seinen Vortrag mit der Feststellung:

„Unter Pfalz ist bis 1410 die Herrschaft der Pfalzgrafen insgesamt zu verstehen. Nach 1410 wird der Begriff eingeengt auf die im Besitz des Kurfürsten befindlichen unveräußerlichen Teile und damit auf das Kurfürstentum selbst. Transpersonale Herrschaftsvorstellungen führen zu der Anschauung von der Pfalz als einer eigenständigen Größe, die von den Pfalzgrafen fürsorglich zu regieren ist.“ (S. 181)

Mit den Verpfändungen von Ingelheimer Reichsgut an die Kurpfalz ab 1375/76 kam sozusagen die "Pfalz" nach Ingelheim zurück, aber nicht mehr als Bezeichnung für ein Gebäudeensemble zu königlichen Regierungszwecken, sondern als sich allmählich etablierende Landesherrin.

Weitere Einzelheiten auf der Webseite http://www.ingelheimergeschichte.de/index.php?id=142 und ihren Unterseiten.

7. Forschungen der Kurpfälzer Akademie in Mannheim (nach Fuchs)

Fuchs stellt hauptsächlich die historische Forschung der Mannheimer Akademie (1763-1803) dar und lässt die Naturwissenschaften beiseite. Er betont, dass sie, entsprechend den Bedürfnissen ihres Landesherrn Karl Theodor, neben fantasievollen Abstammungsgeschichten der Pfalzgrafen auch verdienstvolle Akteneditionen herausgebracht habe.

Bei der einzigen großen historischen Forschungsreise in das Pfälzer Ursprungsgebiet, durch die Eifel zum Niederrhein und weiter durch Luxemburg, Saarland und Zweibrücken im Jahre 1768, kamen die Teilnehmer – Johann Daniel Schöpflin, sein Adlatus Andreas Lamey, der Hofhistoriograph Christoph Jacob Kremer aus alter Wormser Familie und der Hofkupferstecher Egid Verhelst – nicht durch Ingelheim, das Lamey ohne Schöpflin schon vier Jahre zuvor zur Erkundung der alten Kaiserpfalz besucht hatte.

Diese relativ unergiebige Reise Lameys nach Ingelheim bleibt bei Fuchs unerwähnt. Mittlerweile konnte ich jedoch das Konzept dieser Reisebeschreibung von 1764 finden, auswerten und in BIG 58, S. 76-150, veröffentlichen. Seinen Eindruck von dem, was er für die Reste des Ingelheimer Palastes hielt (eigentlich die Reste der spätmittelalterlichen Burg), fasste er so zusammen:

"... findet man beynahe gar nichts mehr, das des Caroli M. würdig wäre."

Er wusste von den drei Großgebäuden Aula regia, Nordflügel und Halbkreisbau nichts mehr, sodass er danach auch nicht suchte. Selbst die für ihn durchaus sichtbaren Reste der gebogenen Apsiswand der Aula regia, die als Nordwand eines Hauses dienten, fielen ihm nicht auf. Seine bei Schöpflin mit Abbildungen veröffentlichten Vorstellungen von der Ingelheimer Pfalz (Burgmauern) beherrschten seitdem Köpfe der Gelehrten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.

8. Rheinkreis – Pfalz – Westmark (nach Fenske)

Beim Wiener Kongress konnte man vorerst keine Einigung in der Frage erzielen, welchem deutschen Staat die linksrheinischen Gebiete, die nun wieder zu Deutschland gehörten, angeschlossen werden sollten. Bayern hatte z. B. ein höheres Interesse an der Gewinnung von Salzburg als an den ehemals Wittelsbacher Pfalz-Gebieten jenseits des Rheines. Schließlich einigten sich am 14. April 1816 Bayern und Österreich in München darauf, dass Bayern linksrheinische Gebiete, die vorher (teilweise) zu den französischen Departements Donnersberg, Saar und "Niederrhein" (Niederelsass) gehört hatten, übernehmen sollte. Diese neubayrischen Gebiete nannte man nicht etwa nach der früheren Pfalz, sondern "Rheinkreis" oder auch "Rheinbayern".

Diese Bezeichnungen wurden durchgehend und widerspruchslos benutzt, bis im Jahre 1838 König Ludwig I. die Bezeichnung "Pfalz" einführte, nicht nur wegen seiner besonderen Liebe zu dieser schönen Region, sondern weil er durch Wiederverwendung historischer Regionalnamen wie Ober- und Niederbayern, Mittel- und Unterfranken die Integration ins größer gewordene bayrische Königreich fördern wollte.

Der neue (bzw. alte) Namen wurde allgemein schnell übernommen, und die bisherigen Bezeichnungen Rheinbayern und Rheinkreis verschwanden und damit ein Stück "rheinischen Bewusstseins" (Fenske, S. 214). In der Folge verengte sich der Begriff "Rheinland" zunehmend auf die preußische "Rheinprovinz" am Niederrhein, was sich bis heute bemerkbar macht.

Nach dem Ersten Weltkrieg brachten Publizisten 1921 den Begriff "Westmark" auf, in einer bewussten Frontstellung gegen Frankreich. Eine in Köln erscheinende liberal-konservative Zeitschrift wurde so genannt: "Die Westmark. Rheinische Monatsschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur." Sie erschien zwei Jahre lang. Danach wurde der frei gewordene Titel zuerst von Nationalliberalen in Aachen übernommen, die ihre regionale Zeitschrift so nannten (1926-1930). Ab Oktober 1933 benutzten schließlich die Nationalsozialisten den erneut frei gewordenen Titel "Die Westmark" für eine Zeitschrift mit dem Untertitel: "Monatsschrift des Volksbildungsverbandes Pfalz-Saar. Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark." Dadurch wurde der Begriff "Westmark" stark ideologisch geladen, aber zuerst aus außenpolitischen Gründen noch nicht offiziell gebraucht.

Nach der Vereinigung des Saarlandes mit dem Reich 1935 wurde der NS-Gau zuerst offiziell "Saarpfalz" genannt, aber am 3. Dezember 1940 in "Westmark" umbenannt. Dabei wurde an eine Vereinigung von Pfalz, Saarland und den deutschen Teilen Lothringens gedacht. "Volkstümlich wurde die Bezeichnung Westmark jedoch nicht mehr." (S. 217)
 

Ergänzung Geißler

Nach dem Krieg wurde die Bezeichnung "Pfalz" von den Besatzungsmächten wieder aufgegriffen: Im Mai 1945 nannte die US-Militärregierung ein provisorisches Oberpräsidium "Saar-Pfalz-Südhessen" mit Sitz in Neustadt/W., wozu auch Ingelheim gehörte. Von der französischen Besatzungsmacht wurde der Name im Juli 1945 wegen der erneuten Abtrennung des Saarlandes in "Pfalz-Hessen" abgeändert. Am 30. August 1946 verordnete schließlich der Oberkommandierende der französischen Streitkräfte, General Koenig, von Baden-Baden aus die Schaffung eines rheinland-pfälzischen Landes: Es entstand das spätere Bundesland "Rheinland-Pfalz".

Die "Pfalz" wurde darin zu einem der Regierungsbezirke dieses Landes, mit Sitz in Neustadt/W. Ein Volksbegehren im Jahr 1956 für einen erneuten Anschluss an Bayern fand nicht die nötige Mehrheit.

Im Zuge einer Verwaltungsreform wurde der Regierungsbezirk Pfalz 1968 mit Rheinhessen zum Regierungsbezirk "Rheinhessen-Pfalz" vereinigt.

Bei einer erneuten Verwaltungsreform wurden alle Regierungsbezirke mit Geltung vom 1. Januar 2000 ganz aufgehoben, so dass der Begriff "Pfalz" aus fast allen offiziellen Bezeichnungen verschwand. An ihre Stelle traten drei nach Aufgabenbereichen organisierte Landesbehörden mit umständlichen Titeln, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) bzw. die Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGD) Nord und Süd mit ihren gänzlich unhistorischen Namen und Abkürzungen.

Weiterhin besteht jedoch ein Kommunalverband "Bezirksverband Pfalz" (mit einem "Bezirkstag Pfalz") als Körperschaft des Öffentlichen Rechtes, der als Träger verschiedener Einrichtungen, Beteiligungen und Preisausschreiben auftritt, Museen und Theater unterhält und die Erinnerung an die Pfalz wach halten soll. Durch die Umbenennung des Landkreises Ludwigshafen in "Rhein-Pfalz-Kreis" wurde 2005 ein neues Autokennzeichen geschaffen: RP (für Rheinpfalz).

Ansonsten wird der Territorialbegriff "Pfalz" ähnlich wie "Rheinhessen" heute nur noch im Bereich von Tourismus und Weinwerbung als Regionalbezeichnung verwendet.

"Ja so en guude Palzwoi
Der laaft ääm in de Hals noi,
Der laaft ääm dorsch die dorschdisch Kehl,
Do werd mer froh un kreizfidel..."

(Schunkellied der 50er Jahre von Kurt Dehn, z. B. beim Dürkheimer Wurstmarkt)

Ein weiter Weg von Augustus‘ Villa auf dem Mons palatinus bis zum "Palzwoi"!

 

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Gs, erstmals: 21.01.15; Stand: 28.12.23