Jüdische Lehrer in Ober-Ingelheim

 

Autor: Hartmut Geißler
aus: Geißler, Volksschulgeschichte in BIG 56, S. 174-176


Zu den jüdischen Lehrern, die neben ihren Aufgaben in der Religionsgemeinde als Vorsänger, Kantoren und Chorleiter auch den israelitischen Religionsunterricht an den Volksschulen und der Höheren Bürgerschule erteilten, haben sich einige Unterlagen in den Archiven erhalten.

Es waren dies

Ludwig (Louis) Schimmel aus Hildburghausen, der von 1836 bis wahrscheinlich 1868 unterrichtete, am 28. Februar 1888 verstarb und auf dem jüdischen Friedhof in Ober-Ingelheim bestattet wurde
Joseph Klingenstein; dieser unterrichtete von 1869 bis 1875 an der neugegründeten eigenen jüdischen Elementarschule und nach der Umwandlung aller Ober-Ingelheimer Konfessionsschulen an der Gemeindeschule; er war auch als Redakteur tätig und wohnte in der Dienstwohnung des jüdischen Lehrers in der Stiegelgasse vor der Synagoge; er starb am 13. November 1890 und wurde unter großer Beteiligung gleichfalls auf dem jüdischen Friedhof in Ober-Ingelheim bestattet (siehe unten)
• Möglicherweise ein Max Bernheim und ein David Freitag (keine ausreichende Quellenlage)
Julius Krämer von 1903 bis 1908 (an der Höheren Bürgerschule)
Ludwig (Louis) Langstädter, der von 1908 bis 1933 gleichfalls an der Höheren Bürgerschule jüdischen Religionsunterricht gab, unterbrochen durch seinen Militärdienst 1914-1918; er wurdemit seiner Frau am 30. September 1942 in einem Eisenbahntransport rheinhessischer Juden von Mainz nach Darmstadt und von dort nach Treblika deportiert, wo alle ermordet wurden.

Vom Lehrer Schimmel ist im Archiv der Burgkirchengemeinde das Begleitschreiben zu seinem beabsichtigten Religionslehrplan erhalten, gerichtet an den evangelischen Pfarrer als Vorsitzenden des Schulvorstandes, datiert vom 8. Juni 1847 und abgefasst in einem altertümlich-unterwürfigen Stil:

Sr. Hochehrwürden Herrn Pfarrer Heier dahier. Der gehorsamst Unterzeichnete beehrt sich hiermit Ew. Hochehrwürden unter Beilage 1. die Gegenstände anzugeben, in denen derselbe im Laufe dieses Jahres in der Religionsschule dahier unterrichtet. In steter Ergebenheit verharent Ew. Hochehrwürden Gehorsamster L. Schimmel, Lehrer dh.

Auch die Lehrpläne der jüdischen Lehrer, die den mosaischen Religionsunterricht an den christlichen Schulen gaben, mussten also von den Behörden genehmigt werden.

Zur Diensteinführung des neuen Lehrers Klingenstein am 26. August 1869 lud der israelitische Schulvorstand zu einer Feier in den Schulsaal der israelitischen Gemeinde (an der Stiegelgasse) ein. Dieser (!) Schulvorstand bestand aus dem evangelischen Pfarrer Koser, Bürgermeister Schätzel sowie den beiden Vätern Moses Baum und David Oppenheimer.

Über die Bestattung des überaus beliebten jüdischen Lehrers Klingenstein berichtete der Rhein- und Nahe-Bote vom 20. 11.1890:

Ober-Ingelheim. Ein Leichenzug so groß, wie wir ihn hier selten gesehen, folgte heute den sterblichen Resten des Herrn Lehrer Klingenstein. Die überaus große Teilnahme legte beredtes Zeugnis davon ab, daß der Verstorbene in allen Schichten der Bevölkerung sich großer Beliebtheit erfreut. Von nah und fern waren Verwandte und Freunde erschienen, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Nach dem rituellen Gebete intonierten die Lehrer des Kreises Bingen ein Grablied. Darauf sprachen die Rabbiner von Bingen und Mainz in treffender Rede die Verdienste und Tugenden des Entschlafenen schildernd. Der Verstorbene besaß einen edlen und uneigennützigen Charakter und war trotz seines Leidens treu seinem Berufe bis an’s Ende.

Welch‘ ein fürchterlicher Absturz von Klingenstein zu Langstädter in den Jahren 1933 bis 1942! Für weitere Einzelheiten zu diesen jüdischen Lehrern sei auf die Forschungen von Hans-Georg Meyer, Sie sind mitten unter uns, verwiesen.


Gs, erstmals: 12.02.17; Stand: 24.03.21