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13. Die Nahm'sche Mühle und das untere Altegässer Tor

 

Autor: Hartmut Geißler

Nach Busch S. 36-38, Krämer, Ober-Ingelheim, Klein und Krienke;
Information und Fotos von Willi Nahm, einem Nachfahren der Mühlenbesitzerfamilie;
unter Benutzung des betreffenden Katasterblattes Ober-Ingelheim von 1848 (Rep II//418, Karte I E) und anderer Archivalien des Stadtarchivs

 

Das barocke Mühlengebäude mit dem mächtigen Mansardwalmdach verweist auf eine weit zurück reichende Mühlengeschichte an einer Selzfurt mit dem bis heute wichtigsten Selzübergang auf der Westseite von Ober-Ingelheim. Die bisweilen genannte Ersterwähnung im Jahr 1370 bezieht sich aber auf die ehemals Bolandische Mühle am Ober-Ingelheimer Markt. Die Brücke ist erst neuzeitlich.

1672 soll der Ober-Ingelheimer Ratsherr Gottfried Bassmann einen Neubau errichtet haben. 1771 gehörte die Mühle dem Ratsmitglied Andreas Stoppelbein („Stoppelbeins Mühle"). Von 1806 bis 1920/21 war sie in Besitz der Familie Himmel („Himmelsmühle"). Nach dem folgenden Eigentümer wird das Anwesen, das seit etwa 1900 nicht mehr als Mühle genutzt wurde, heute noch bisweilen „Nahm'sche Mühle" genannt.

Sie wurde als Ölmühle, als Papiermühle und auch als Getreidemühle genutzt. In jüngerer Zeit wurde das Wirtschaftsgebäude abgebrochen und 1959/60 der Mühlgraben zugeschüttet. Das Mühlengebäude gehört heute der Stadt Ingelheim und dient als Mietshaus.

Das an die Mühle angebaute untere Altengässer Tor(-haus) wurdeca. 1846 abgerissen. In der französischen Zeit wurde es vom Gemeindehirten bewohnt (erwähnt 1813).Bis in die 1950er Jahre war an der südlichen Hausecke noch ein Mauerrest dieses Torhauses zu sehen.

Krienke:
"Das Algesheimer Tor (Altengässertor) am Ende der Altegasse (bei Haus Nr. 72) bzw. am Weg nach Gau-Algesheim, ... löste einen oberhalb gelegenen Vorgängerbau ab, nachdem die Besiedlung sich über den Unteren Zwerchweg hinausgeschoben hatte“
(S. 396).

Er begründete also indirekt die Existenz des unteren Tores mit der Schutzfunktion für die vorrückende Besiedlung, wie man sie im 14. und 15. Jahrhundert von einer Mauer mit Graben erwartete. Diesen Schutz aber konnten Mauer und Graben spätestens seit dem 17. Jahrhundert wegen der Waffenentwicklung nicht mehr leisten. Eine Ausweitung der Ortsbefestigung schon früher, im Spätmittelalter, zum Schutz der landwirtschaftlich genutzten Fluren bis hinab zur Selz, wäre eine völlig unnütze und teure Maßnahme gewesen. Die Parzellenkarten von 1812 und 1848 geben auch keinerlei Hinweise auf einen parallel zur unteren Altengasse verlaufenden Schutzgraben, wie er im Ortsplan von Rauch eingezeichnet ist. Das war wahrscheinlich eine Verwechslung mit einer Flurgrenze.

Stattdessen dürfte das untere Tor lediglich zur Zoll- und ggf. Weinzehnt-Erhebung errichtet worden sein, nachdem das obere Tor verschwunden war.

Wie beide Tore aussahen, ist ohne archäologische Untersuchungen nicht mehr zu rekonstruieren. Es weist aber bisher nichts darauf hin, dass man das untere Tor mit einem der anderen imposanten Tore des 15. Jahrhunderts (Uffhubtor, Stiegelgässer Tor, Ohrenbrücker Tor) gleichsetzen könnte. Frühe Erwähnungen einer Altengässer Pforte lassen sich eher auf das obere Tor beziehen, die jüngeren auf das untere. Hier besteht noch Forschungsbedarf.
 

 

Auch heute noch kann man die Stelle erahnen, an der die alte Torhausmauer angebaut war: Es ist derjenige Teil der Hausmauer zur Straße hin, der an der Hausecke beginnt, mit dem Grafitto bemalt ist und in dem unten keine Fenster sind. Danach macht die Hausmauer einen leichten Knick.
 

 

Gs, erstmals: 20.10.20; Stand: 02.05.21