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Die Ortsnamen fränkischer Höfe auf -heim


Autor: Hartmut Geißler
 

Dass die Ortsnamen auf "–heim" in unserer Region regelmäßig aus der Verbindung mit einem Personennamen entstanden sind und auf fränkische Gründungen zurückgehen, ist allgemeine Überzeugung der Forschung. Welche Namen der Merowingerzeit aber jeweils Pate gestanden haben, ist ein schwieriges und vielleicht nie ganz zu klärendes Problem.

"Ingel(n)heim": In den Annalen der karolingischen Zeit wird der Ort "Ingilinhaim" oder ähnlich geschrieben, jedenfalls immer mit einen "n" in der Mitte, bis ins Spätmittelalter. Die Varianten der verschiedenen z. T. erheblich jüngeren Abschriften dieser erstmaligen Erwähnung in den Annales regni Francorum zum Jahr 774 lauten: Ingilinhaim, Ingelheim, hengilinheim, ingilinahim, Ingilingam, ingelhaim und ingilinheim.

Allgemein wird als Namensgeber ein "Angilo, Engilo" oder „Ingilo“ angenommen. So heißen zwei Zeugen in der großen Schlichtungsversammlung 876 in Ingelheim Engilhelm und Engilhard, die vermutliche Mutter von Einhard, des Biografen Karls des Großen, hieß z. B. Engilfrit, und in den Akten der westfränkischen Bischofssynode von Fismes 881 wird eine Pariser Bischof namens Ingelwin erwähnt. Schmitz verweist auf das Namensbuch von Förstemann mit entsprechenden Belegen. Umstritten sei die etymologische Deutung. Zwar gibt es die Wurzel Ingo oder Ing(wio), die eine germanische Bezeichnung für einen Gott war und den Beginn vieler Namen bildet, die mit Ing- anfangen: z. B. Ingo-mar, Ing-rid, Ing-olf, Ing-var; sie alle sind aus zwei sinntragenden Worten zusammengesetzt. Aber was bedeutet dann der zweite Teil –ilo o.ä.?

Einen kleinen Ort mit Namen "Ingelbach" gibt es im Westerwald in der Verbandsgemeinde Altenkirchen und ein "Ingelfingen" im Hohenlohekreis.

Schmitz, S. 111: "Aber wie dem auch sei, fest steht jedenfalls ..., daß der Ortsname Ingelheim im Ganzen als 'Heim des Engilo' interpretiert werden muss."

In der Nachfolge mittelalterliche Volksetymologie erläutert Sebastian Münster im 16. Jahrhundert den Lesern seiner Cosmographie den Namen so: Weil der Sage nach ein „Engel“ in einer Kammer der Ingelheimer Pfalz Karl dem Großen das „Glaubensschwert“ gebracht habe, mit dem er erfolgreich gegen die Ungläubigen kämpfen sollte, heiße der Ort „Engelenheim“.

Diese Legende entstammt der Zeit der Karlsrenaissance im 12. Jahrhundert, als Karl der Große am 29.12.1165 in Aachen auf Betreiben des Kanzlers Rainald von Dassel heilig gesprochen worden war. Im Zusammenhang mit der Namensfrage steht freilich die Frage nach dem Beginn der unmittelbaren Königsherrschaft im Ingelheimer Grund. Denn wenn, so Schmitz, "Ingel(n)heim" die selbständige Gründung eines fränkischen Adligen etwa im 5. Jahrhundert gewesen sei, dann sei unklar, wie und wann dieser Besitz zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert zu Königsgut geworden sei. Schmitz hält deswegen an der These fest (und ich schließe mich dem an; Gs), dass es durchaus auch möglich sei, dass die Siedlung nach einem fränkischen Führer benannt wurde, der vom König auf Domänenland angesiedet worden sei, dass der Ingelheimer Raum also seit dem Ende der römischen Herrschaft fränkisches Königsgut gewesen sei. Überdies deute die Ballung solcher Ortsnamen auf -heim im unteren Selztal auf eine weitgehende Gleichzeitigkeit ihrer Entstehung hin (S. 118).

(Frei-) Weinheim (in der ältesten Form 1112 - eine Erwähnung aus 772 bezieht sich auf ein anderes Weinheim, einen Ortsteil von Alzey) wird als "Wi(e)nheim" überliefert, Saalwächter, BIG 13, S. 9): Man vermutet hier einen (friesischen?) Häuptling namens Wio oder Wiho als Namenspatron (aber an anderer Stelle auch Weïn oder Wehin = Landmann, Pflanzer; BIG 39, S. 98). Ein „Wiho“ wird als erster Bischof von Osnabrück überliefert, geboren im Friesland, gestorben am 20. April 804 (?). Sein Name soll „Kämpfer“ bedeuten (sein Gedenktag: 13. Februar).

Dass sich auch Friesen am Ingelheimer Rheinhafen niedergelassen haben könnten, darf nicht überraschen; friesische Fernhandelskaufleute dominierten auf den schiffbaren Flüssen des 7. Jahrhunderts und bildeten z. B. am Mainzer Rheinufer eine eigene Siedlung, von Palisaden umgeben, auf dem Gebiet des heutigen Hilton-Hotels. Holger Grewe hält es deshalb für wahrscheinlich, dass die Säulen für die Ingelheimer Pfalz nicht in Weinheim ausgeladen wurden, sondern in Mainz, weil ihr Weitertransport von dort auf brauchbaren Straßen leichter zu bewältigen gewesen sei, als durch die tiefgründigen Flugsanddünen zwischen Weinheim und Nieder-Ingelheim. Auch der Dänenkönig Heriold könnte 826 mit seinen Schiffen in Mainz gelandet sein, nicht am flachen Ufer von Weinheim, weil er sowieso in St. Alban bei Mainz getauft wurde.

Im Gräberfeld I in Frei-Weinheim – auf dem Gelände des ehemaligen Bahnhofs der Selztalbahn –, das zu dem Zeitpunkt eigentlich schon nicht mehr benutzt wurde, fand man - völlig isoliert - ein Brandbestattungsgrab, und das bedeutet eine Beisetzungssitte, die sich im fränkischen Raum sonst nirgends findet, während sie im niederrheinisch-friesischen sowie norddeutschen Raum noch üblich war. Die Brandreste waren in einem sog. Badorfer Kugeltopf bestattet, den man in die Zeit des 8. bzw. 9. Jahrhunderts datiert (nach Astrid Wenzel S. 28; dort Näheres).


Fränkische Ortsnamen umliegender Gemeinden im ersten Jahr ihrer schriftlichen Erwähnung:

Winternheim: 937 "Winteresheim

Sporkenheim: 1128 "Spurchenheim

Ockenheim: 823 "Huccunheim"

Algesheim: 766 "Alagastesheim

Heidesheim: 762 "Heinsinisheim

Wackernheim: um 790 "Uuacharenheim

Bubenheim: 766 "Bubinheim"

Elsheim: 1144 "Ilgisheim "

Hilbersheim: 1108 "Hilbridisheim

Bei Hilbersheim taucht übrigens dasselbe Phänomen auf wie bei Ingelheim: ein Doppelort, unterschieden durch Nieder- und Ober-.

 

Gs, erstmals 28.07.05; Stand: 16.01.23