Rundschreiben über das Verfahren zur Erlangung einer Auswanderungserlaubnis 1823

 

Autor: Hartmut Geißler

Mit Datum vom 15. Mai 1823 schickte die Mainzer Provinzialregierung eine Durchführungsverordnung an alle Bürgermeister von Rheinhessen, in dem das Verfahren geregelt wurde, mit dem Auswanderungswillige eine offizielle Erlaubnis zum Auswandern erlangen konnten. Es hat sich im Archiv von Frei-Weinheim erhalten (jetzt Stadtarchiv Ingelheim).

 

Diese  Durchführungsverordnung zur Regierungsverordnung zum Auswanderungsgesetz vom 30. Mai 1821 regelte das Verfahren einer legalen, erlaubten Auswanderung folgendermaßen und ohne die Möglichkeit von Ausnahmen:

1. Der Auswanderungswillige musste den Wunsch persönlich im Büro der Provinzialregierung, also in Mainz, vortragen und bekam darüber eine Bescheinigung.

2. Diese Bescheinigung sollte er unverzüglich beim Kreisgericht einreichen, damit dieses die Erfüllung von zehn Bedingungen der Regierungsverordnung nach Art. 6 des Gesetzes (keine anhängigen Verfahren und Schuldenfreiheit) "zertifizieren" konnte.

3. Wenn diese gerichtliche Bestätigung vorlag, musste der Auswanderungswillige seinen Wunsch gegenüber der Provinzialregierung noch einmal bestätigen und folgende Schreiben vorlegen:

a) eine frei formulierte Bescheinigung des Bürgermeisters über die persönlichen und familiären Verhältnisse mit genauen Angaben zu den Kindern, falls nicht anderweitig ersichtlich

b) das gerichtliche Zertifikat

c) wo möglich, eine Aufnahmebestätigung des Ziellandes

4. Wenn das alles in Ordnung sei und auch die Kinder nicht wehrpflichtig seien, sollte dem Bittsteller die Erlaubnis unverzüglich ausgestellt und mitgegeben werden.

 

Einfach war das Verfahren nicht und vor allem das Gericht brauchte wegen der Fristen seine Zeit. Aber es war ein rechtsstaatliches Verfahren. Wem klar wurde, dass er diese Bestimmungen nicht alle erfüllen würde, dem blieb nur der riskante Weg der illegalen Auswanderung übrig, die mit Strafe bedroht war. Bemerkenswert ist auch, dass in allen solchen Verordnungen nur von einem Mann und ggf. Familienvater als Bittsteller die Rede ist. Die Auswanderung von Frauen und Kindern allein kam also gar nicht in Frage.

 

Gs, erstmals: 04.01.20; Stand: 16.04.21