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20. St. Jodokus im Spitalgässchen

 

Autor und Fotos: Hartmut Geißler
unter Benutzung von Philipp Krämers Regesten von 1919
sowie von Schicke, Peter: Kirchengeschichte, BIG 42, 1997, S. 51-55 (detailliert)
und Pia Steinbauer, in: Heimat am Mittelrhein, AZ Ingelheim 27.06.2015, S. 28
und Seite 192 aus 50 Jahre Stadt Ingelheim am Rhein, BIG 38, 1991 (Autor nicht angegeben)

 

 

 

Etwa auf halber Länge "der Rinderbach" zweigt in Richtung Burgkirche eine kleine Sackgasse ab, die heute mit den Hausnummern 20-26 zur Rinderbachstraße zählt, auf deren früheren Namen - "Spitalgässchen" - aber ein Schild hinweist:

 

Es führt zum Standort einer ehemaligen Kapelle und eines Spitals, beide mit dem Namen St. Jodokus (St. Jost), aber wohl finanziell voneinander unabhängig. Die Kapelle war eine Adelsstiftung von 1387, während das Spital sicher erstmals 1392 im Zusammenhang mit Armen erwähnt wird. Der Heilige Jodokus, ein Klostergründer, Einsiedler und Pilger, der im 7. Jahrhundert im heutigen Nordfrankreich lebte, wurde als Schutzpatron der Kranken, Genesenden und Pilger verehrt. Von Pilgern ist freilich in Ober-Ingelheim nichts bekannt.

Reste des Chorteils der Kapelle sollen sich noch im stark renovierungsbedürftigen Bau links abzeichnen. Ihre Funktion als Kirche wurde bei der Reformation 1565 aufgehoben. Das Spitalgebäude hingegen jedoch diente weiter als Armen- und Pflegeherberge, bis es 1815 abbrannte.

Das Glöckchen, das auf der Kapelle hing, wurde auch nach ihrer Aufhebung als kirchliches Gebäude noch einige Zeit zum Läuten für die Gottesdienste der Katholiken im alten Rathaus an der Ringgasse/Kirchgasse verwendet, wo sie nach ihrem durch die Kirchenteilung erzwungenen Auszug aus der Kirche ersatzweise ihre Messen abhalten konnten. Seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde es auch ersatzweise zum Schröterläuten benutzt: Wenn Wein geladen werden sollte, wurden die Schröter, die die Fässer aus den Kellern rollten und auf Wagen luden, damit zusammengerufen. 1827 wurde es als Uhrenglocke im neu errichteten Rathaus aufgehängt und 1942 zu Kriegszwecken abgegeben.

Zum Gedenken an St. Jost wurde am 24. September in der Rinderbach das St. Jost - Kirchweihfest begangen, das auch nach der Reformation weiter am letzten Sonntag im September gefeiert wurde. Damit ist das Rotweinfest indirekt die Fortsetzung dieser St. Jost-Kerb.

 

Gs, erstmals 21.10.20; Stand: 15.06.23