Autor: Hartmut Geißler
nach Rochus von Liliencron
Liliencrons Text wurde auch von Andreas Saalwächter, BIG 9, S. 145 f., benutzt.
In seiner großen Sammlung mittelalterlicher deutschen Dichtungen ("Volkslieder") hat Rochus von Liliencron - nicht zu verwechseln mit seinem Neffen Detlev - ein z. T. fehlerhaftes und lückenhaftes Lied eines vermutlich Mainzer Sängers textkritisch herausgegeben. Man nennt solche Lieder in der Forschung heute eher "politisches Ereignislied" (Kellermann, Karina: Abschied vom 'historischen Volkslied', Tübingen 2000).
Es wird in der Fassung von Liliencron auch in der Darstellung von Bertrand Schnerb, Bulgnéville (1431) 1993 wieder abgedruckt, deutsch und französisch, aus einem französischen Aufsatz von 1892 zu Liliencrons Veröffentlichung, aber unkommentiert.
In der historischen Einleitung Liliencrons spiegelt sich der starke deutsch-französische Gegensatz des 19. Jahrhunderts.
Liliencron, der anscheinend wenig über die allgemeine historische Situation jener Zeit im Verhältnis Kurpfalz - Lothringen weiß, stellt sich ausdrücklich hinter die Mainzer Kritik Bernkopfs an dem Pfälzer Einsatz in Lothringen, aus der er sogar eine "öffentliche Meinung in Deutschland" macht:
"Mit Recht machte die öffentliche Meinung in Deutschland diesen Herren einen schweren Vorwurf daraus, daß sie sich lieber hier um fremder Angelegenheiten willen im Felde umhertrieben, als der furchtbaren heimischen Hussitennoth steuern halfen. Das rittermäßige Fechten däuchte ihnen wol ungefährlicher als der Kampf mit den siegesgewohnten böhmischen Bauern. Man mochte es daher als eine wolverdiente göttliche Strafe betrachten, daß ihnen dieser Zug so übel bekam, während das Reichsheer, welches sich in eben denselben Tagen zögernd an der böhmischen Grenze sammelte, dieser rheinischen Herren vergebens wartete."
In den 26 Strophen erfährt man freilich nicht allzu viel über die Schlacht selbst. Angesprochen wird Antoine de Vaudémont ("herr von Widemunt"), der Kontrahent Renés, der seltsamerweise im Gedicht nicht namentlich erwähnt wird, worauf schon Liliencron in seiner Einleitung hinweist. Der Schlacht ging ein erbitterter Streit im Lager Renés voraus, ob angegriffen werden sollte oder nicht; für den sofortigen Angriff setzte sich Robert Graf von Saarbrücken, Herr von Comercy in Lothringen ("Komerßan"), ein, der bei der Niederlage selbst geflohen ist; dagegen sprach sich Arnaud Guilhem de Barbazan ("Wurmesan", bei Liliencron "Barbasan") aus, der in oder nach der Schlacht starb. Es starben viele Ritter und (Edel-) Knechte in der Schlacht, viele wurden auch gefangen und gegen Lösegeld wieder freigelassen.
Unter den Gefallenen zählt Bernkopf namentlich auf:
- einen Herrn von Dalberg (nach Raimar Johann Kämmerer von Worms); eine namentlich unbekannte Schwester Philipps hat einen Friedrich Kämmerer von Worms, genannt Dalberg geheiratet, der vielleicht mit dem Gefallenen namens Johann verwandt war;
- einen Heinrich von Horschersheim (Liliencron vermutet eher Handschuhsheim in Baden, heute ein Ortsteil von Heidelberg); bestätigt bei Brandenstein, S. 268
- Philipp von Ingelnheim (sic),
- Friderich von Muntfort (Montfort, was Liliencron in der Grafschaft Sponheim vermutet); nach Raimar geriet er nur in Gefangenschaft und kehrte zurück.
Statt nach Lothringen zu ziehen, hätten die Ritter sich lieber dem Kreuzzug gegen die Hussiten anschließen sollen (vorletzte Strophe). Mit "Walhen" (Strophe 21 und 22) sind die "welschen", also Französisch sprechenden Burgunder und Lothringer gemeint, die in diesem Gedicht in einen deutlichen Gegensatz zu den "dütschen Landen" (Strophe 9) gestellt werden.
Denn während sich die deutschen Kämpfer angeblich "ritterlich" verhalten, wird den "Welschen" die "Schande" vorgeworfen, sogar Gefangene ausgezogen und erschlagen zu haben (Strophe 22), ein deutliches Zeichen für nationale Aversionen.
Gewidmet scheint das Gedicht dem zeitgenössischen Mainzer Erzbischof Konrad ("Kunz") von Dhaun (1419-1434) zu sein, wie man aus der letzten Strophe schließen kann.
Es folgen nun die 26 Strophen in der Fassung Liliencrons:
1. Aber will ich heben an,
min sinne sint mir gestellet,
vil ritter und knechte sint erslan,
das höre ich in dem lande san,
und mir auch nit wol gefellet.
2. Vil ritter und knechte ligent tot,
erslagen und erschoßen,
owe der jemerlicher not!
so sieht man maniges wenglin rot
mit trehen überfloßen.
3. Sü sint biß auf den tot verwunt,
vil weger werents gefangen!
ach edel herr von Widemunt,
das sag ich hie zu dieser stunt,
hetst du es wislich begangen, -
4. Do dir das heil wolt bi gestand,
daß du den strit gewünne,
des soltstu manigen clugen man
umb richen schaz gefangen han,
ach got wende dine sinne!
5. So dustu doch vil hendelin
mit leit zusamen sließen,
von manigem hübschen frowelin
vin die liechten trehen mußent sin
über tote wengelin fließen.
6. Do sprach sich der von Wurmesan,
er redte uß wisem sinne:
„ir herren, grifets wislich an,
ich han des schimpfs wol me getan,
daß wir den strit gewinnen.“
7. Do sprach sich der von Komerßan:
„do höre ich einen zagen
ich will ..........................
der ritterschaft nit abestan,
blibe ich alhie erslagen.“
8. Do sü den strit gefahen an
und sü des schimpfes begunden,
herrn Emerich von Komerßan
den sach man uf dem velde stan
als ein hase bi den hunden.
9. Du hast verdienet cleinen dank,
man sagt von dir die schande,
din ritterschaft ist worden krank
das agen min ritter sunder dank
von dir in dütschen landen.
10. Ducht es dich ritterlich getan,
daß du fluhest von dem velde
und du doch manigem clugen man
ritterlich wolltest bi gestan?
mit recht muß ich dich schelden.
11. Jemere muß er ruwen mich,
der von Dalberg der frume,
ein edeler ritter tugentlich,
got teil mit im sin himelrich!
er was der ern ein blume.
12. Her Heinrich do von Horschersheim
het lob und pris erworben,
er streit in ritterlicher wat;
er bleib dar auf der walstat
mit sinem baner gestorben.
13. Durch manigen frechen umdevangen
..........................................................
daruf ein hübsche fuglant,
das furt ein ritter sunder dank
mit armichen umbefangen.
14. Das hete im zu lieb erkorn
nach ritterlicher arte
ein edeler ritter hogeborn,
darumb hat er sin lip verlorn
und sin geslechte .....
15. Her Philipps do von Ingelnheim,
den schaden muß ich clagen,
er hat tugent und eren vil,
er streit in ritterlichem zil,
von dem ich noch will sagen.
16. Er streit sich eime helde glich,
von dem ich hie wil singen:
von Muntfort edeler Friderich
er furt sin streich gar ritterlich,
daß man sü horte clingen.
17. Maniger ritter stunt in not,
si kouftents ritterlichen!
vil weger hetens geßen brot:
da man spitzen gegen spitzen bot,
man sach sü von in wichen.
18. Des clag ich einem dürren ast
und manigem henfen stricke
von schaden großen überbrast;
also empfaht man solchen gast,
das sicht man oft und dicke.
19. Von Dalberg lieber herre min,
............................................
Ich bitt Marien die künigin,
die welle dir genedig sin
und all den rittern und knechten, -
20. Die in dem strite sint erslan
oder die auch sint am leben,
grafen und ritter, manig man,
got welles in sin henden han,
............................................
21. Do will ich noch nit abelan,
den schaden muß ich clagen
umb manchen frechen wolgetan
ir Walhen schüllent schande han,
als ich üch hie will sagen.
22. Der herolt unde persefant,
ir schülnts den Walhen sagen,
ziehent do hin in welsche lant:
sü hant gefangen ußgezogen
und sü zu tode geslagen.
23. Vil weger ists zu tode erslan,
denne mit schande entrunnen!
das will ich in zu troste san,
den zarten frechen wolgetan,
sü sint der ern ein blume.
24. Und der nu in eren si behaft,
der helfe die frechen clagen
...........................................
von manigen helden, in heldes craft
sü ligent tot erslagen.
25. Die Hussen tribent übermut:
weren sü do hin gezogen,
was man durch gotes willen tut,
sü heten sich wol baß behut,
sü hant sich selb betrogen.
26. Her Kunst du es rein adel gut
din dienst laßet es dich ermanen
in dinem gedichte gut
Bernkopf din herze swebet in den lüften hoch,
wenn man dich höret ........
Strophe 22: "persefant" von franz. "poursuivant", ein Unterherold
(Edel-) "Knechte" sind die adligen Fußsoldaten im Kampf, bzw. die notwenigen ca. drei Helfer für jeden "Ritter" zu Pferde. Wer als "Knecht" den Ritter Philipp von Ingelheim nach Bulgnéville begleitet hat und worin das Schicksal von Philipps Begleitern bestand, ist nicht bekannt.
Gs, erstmals: 26.10.08, Stand: 18.12.20