Autor: Hartmut Geißler
nach: Peter Classen, Christian Rauch
und den MGH DD W
Der junge Graf Wilhelm von Holland, von der antistaufischen Opposition mit päpstlicher Unterstützung gegen den italienischen Staufer-König und Kaiser Friedrich II. zum Gegenkönig gewählt, musste schon Aachen lange belagern, bis er am 1. November 1248 dort gekrönt werden konnte. Vorsichtig rheinaufwärts ziehend, begann er am 2. Februar 1249 mit der Belagerung von Boppard, brach sie aber erfolglos ab und zog weiter nach Ingelheim vor den Saal. Hier bot wahrscheinlich das große Außengelände, das schon seit dem Frühmittelalter als Freifläche für die oft Tausende von Zelten und Tieren der Gäste gedient hatte, immer noch Platz für das gewiss nicht sehr große Heer Wilhelms. Und das königliche "Tafelgut" Ingelheim konnte und musste wahrscheinlich die Belagerer versorgen.
Der Kölner Chronist von St. Pantaleon erwähnte ein "castrum regium Ingilheim", die königliche Burg Ingelheim, und konnte damit nur den mittlerweile befestigten Saal meinen. Die andere Chronik, die Erfurter Dominikaner-Annalen, erwähnten hingegen eine "curtis regia", die übliche Bezeichnung eines Königshofs, mit einer "regalis curia", einem königlichen Palast, den man 350 Jahre zuvor "palatium", Pfalz, nannte.
Damals scheint die staufertreue Besatzung etwa 40 Tage standgehalten zu haben, mindestens vom 19. Februar (Datum der ersten Urkunde Wilhelms bei Ingelheim - "apud Ingelnheim") bis zur Übergabe am Sonntag Palmarum. Nach den Erfurter Annalen wurde die Burg "viriliter expugnata" - mannhaft erobert, nach denen von St. Pantaleon "resignatum", also durch Übergabe übernommen.
Aus den Zeugen einiger Urkunden, die Wilhelm hier ausgestellt hat, kennt man eine erhebliche Zahl der wahrscheinlich beim Belagerungsheer versammelten Fürsten:
- der Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein
- der Kanzler Bischof Heinrich von Speyer
- Albert Graf von Dillingen
- Ulrich Graf von Württemberg
- Wildgraf Konrad
- Gerhard Graf von Dietz
- Emicho Graf von Leiningen
- Heinrich Graf von Weilnau
- Friedrich Burggraf von Nürnberg
- Dieter Graf von Katzenelnbogen
- Anselm Marschall von Instingen
- Truchsess Werner von Bolanden
- sein Sohn Mundschenk Werner von Bolanden
- Kämmerer Ulrich von Münzenberg
- Konrad von Schmiedevelt
- Friedrich von Randenberg
- Gottfried von Bingen
- Siegfried von Runkel
- Karl von Boxberg
- Wilhelm Advokat von Aachen
- Wyrich von Daun
Auf einem Grabstein des Erzbischofs von Mainz, Siegfried III. von Epstein, im Mainzer Dom, sieht man, wie er zwei antistaufische Gegenkönige krönt: Heinrich Raspe (links) und diesen Wilhelm von Holland (rechts).
Wilhelm von Holland zog sich anschließend 1250 in die Mauern von Mainz zurück, zum Schutz vor dem staufischen Gegenkönig Konrad IV., und gestand den Mainzern u.a. das Verbot des Baues von Befestigungen "im Umkreis von vier Meilen" zu (so Falck in "Mainz"), woran wohl das Interesse der Mainzer sichtbar wird, keine Zollburgen in ihrem Umland zu dulden. Und wenn man die damalige Meile mit etwa 7,5 km gleichsetzt, dann lag die Ingelheimer Reichsburg innerhalb dieses Umkreises.
Classen fragt:
"Die lange Belagerung gibt uns manches Rätsel auf. Wir können nur vermuten, nicht mit Sicherheit sagen, daß es der von Barbarossa befestigte Saal war, der als »königliche Burg« verteidigt wurde. Da wir nicht von großen Kämpfen hören und die Befestigung nicht sonderlich stark gewesen sein kann, wird man annehmen dürfen, daß der König keine schweren Angriffe auf die Burg richtete, sondern die Zeit für sich arbeiten ließ.
Wer aber waren die Verteidiger? Schon seit Ausbruch der Kämpfe zwischen Erzbischof Siegfried und den Anhängern des Kaisers im Jahre 1242 hatten Philipp von Hohenfels und der Oppenheimer Schultheiß Marquard von Wunneweiler die Sache des Kaisers geführt. Stadt und Burg Oppenheim mit ihrer Burgmannschaft blieben bis zum Tode Konrads IV. 1254 der staufischen Sache treu; darum verpfändete Wilhelm von Holland 1252 die Stadt Oppenheim, die er nicht in der Hand hatte, an den Mainzer Erzbischof. Philipp von Hohenfels kämpfte in Kastel und in Boppard für den Kaiser; eben dieser Philipp hatte aber neben seinen Bolander Vettern Anteil am Ingelheimer Familienbesitz.
So darf man in ihm und dem Oppenheimer Schultheißen wohl auch diejenigen sehen, die den Widerstand Ingelheims belebten. Der Ingelheimer Schultheiß selbst und die Ingelheimer Ministerialität müssen an der Seite Philipps und der Oppenheimer gefochten haben. Die später so enge Verbindung zwischen Ingelheim und Oppenheim dürfte bereits in dieser Zeit entstanden sei." (S. 127/128)
Gs, erstmals: 28.12.07; Stand: 29.12.21