Autor und Foto: Hartmut Geißler
nach: Müller 2018
In Heidesheim kam es erst 1934 zu der Errichtung eines Kriegerdenkmals, also zu einer Zeit, als die Nationalsozialisten auch in Heidesheim allmählich alle politische Macht ergriffen. Dieses Projekt bot nun sowohl den Nationalsozialisten als auch der starken katholischen Kirchengemeinde die Möglichkeit einer Kooperation, die auch nötig war, weil das Denkmal aus rotem Sandstein auf kirchlichem Gelände errichtet werden sollte, wo vorher eine Kreuzigungsgruppe stand.
Es wurde ein betender Soldat vor den Tafeln mit den Namen der 66 Gefallenen bzw. Vermissten und steht noch heute an der Ingelheimer Straße vor der Kirche.
Als treibende Kraft hinter diesem Projekt vermutete Müller Wilhelm Spamer, der sowohl Mitglied im Kriegerverein war als auch Kirchenrechner (Müller 2019, S. 34, sowie 41 und 43):
"Notwendige Baumaßnahmen am Kirchengebäude sorgten nicht zuletzt dafür, dass eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen auch im Interesse des Kirchenvorstandes lag. Außerdem symbolisierte gerade das nationalistisch-christliche Ehrenmal die Verbindung zwischen Katholizismus und Patriotismus, welche den Katholiken nicht fremd war und gerade in Heidesheim durch die Besatzungszeit noch stark ausgeprägt war... Die Nationalsozialisten vor Ort betrieben in den Wochen des Spätsommers und Herbstes 1933 eine Politik der Symbole und des öffentlichen Bekenntnisses zur NSDAP."
"Bei der Grundsteinlegung wurde eine Ortschronik der Jahre 1914 bis 1934 symbolisch vergraben bzw. ,,begraben". Die Darstellung spannt einen Bogen von den Gefallenen über die Ausgewiesenen der Separatistenzeit - sogar über den ehemaligen Bürgermeister Heinstadt - hin zu den Nationalsozialisten, die alle in der Vaterlandsliebe verbunden seien. Damit gliederte sich die NSDAP symbolisch in die Ortsgesellschaft ein - als Endpunkt einer patriotischen Entwicklung, die nun im Nationalsozialismus ihr Ziel gefunden hatte.
Diese Inszenierung wurde durch die Einweihung des Ehrenmals am 15. Juli 1934 noch übertroffen: Bürgermeister Dittewich hatte als Ehrengast Staatsminister Jung gewinnen können und sich sogar bei dem Reichssender Frankfurt um eine Direktübertragung bemüht, die aber abgelehnt wurde. Bei der Einweihung wurden alle Gruppierungen der Gemeinde eingebunden: Nach festlichen Gottesdiensten unter Einbezug aller(!) Ortsvereine erfolgte der Festakt auf dem Platz vor der katholischen Kirche.
Nach Ansprachen der Pfarrer Helmling und Hartmann sowie von Lehrer Spamer und Staatsminister Jung wurde das Ehrenmal der Gemeinde übergeben, wobei der kommissarische Bürgermeister Dittewich die Schlussansprache hielt. Den Abschluss bildete ein Umzug durch den geschmückten Ort, bei dem sich die Ortsbevölkerung - je nach Beruf oder Vereinszugehörigkeit - an verschiedenen Stellen der Gemeinde aufstellte und zum Ehrenmal marschierte. Die Gruppierungen trafen wieder am Adolf-Hitler-Platz vor dem nun ,,Braunen (Rat-)Haus" zusammen - eine hochsymbolische Choreographie der Einheit.
Die Einweihung des Ehrenmals bildete den Schlusspunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme in Heidesheim, die nach kurzen Turbulenzen geordnet vollzogen worden war."
Gs, erstmals 09.12.20; Stand:18.04.21