Autor: Hartmut Geißler
In Ingelheim, genauer in Nieder-Ingelheim, wurde er geboren (am 20. Januar 1488), hier wurde er erzogen und unterrichtet. Wahrscheinlich mit 17 Jahren (1505) ging er zum Studium an eine Franziskaner-Hochschule nach Heidelberg, der Residenzstadt des Kurfürstentums der Pfalz, zu dem Ingelheim seit über einem Jahrhundert als Reichspfandschaft gehörte. Dort und an mehreren anderen Ordensschulen studierte er Hebraistik und Theologie, aber auch Astronomie, Mathematik und Geographie. Er trat dem Orden bei und wurde 1512 zum Priester geweiht.
Dennoch übernahm er kaum theologische Tätigkeiten, sondern wurde zuerst Ordenslektor für Hebraistik, dann in Heidelberg und - aus dem Orden ausgetreten - an der reformierten Baseler Universität Dozent für Hebraistik, brach eine von ihm verlangte Promotion ab und blieb Dozent für die Wissenschaft der hebräischen Sprachen. 1547/48 war er Rektor in Basel.
Als Hebraist genoss er unter seine Zeitgenossen größtes Ansehen. In Basel heiratete er die Witwe seines Verlegers Petri und hatte mit ihr eine Tochter namens Aretia. Sein Stiefsohn Heinrich († 1579) verlegte seine Bücher.
In seiner knapp bemessenen Freizeit ging er seinem Hobby nach, der Abfassung und Herausgabe einer universellen, bebilderten Weltgeschichte, einer "Cosmographie", die ihm den Ruhm der Nachwelt sicherte, war dieses Buch doch (auch noch nach seinem Tod in vielen Auflagen herausgegeben) das neben der Bibel wohl meistgelesene Buch des deutschsprachigen Raumes im 16. Jahrhundert.
Größere Reisen hat er nicht unternommen. Und auch nach Ingelheim ist er nie wieder zurückgekehrt, obwohl er für seine Geburtsstadt in der Cosmographie liebevolle Worte findet.
Im Jahre 1552 (am 26. Mai) starb er an der Pest und wurde hochgeehrt im großen Kreuzgang des Münsters in der mittleren Grabkammer des Ökolampad im sog. Humanistengrab bestattet. Das dazu gehörende Epitaph ist verschollen.
Im Jahr 2014 hat Reiner Letzner, Vorstandsmitglied im Historischen Verein, eine Untersuchung in BIG 55 veröffentlicht, in der er u.a. zwei Fragen untersucht hat:
1. Wo ist Sebastian Münster geboren, bzw. wo stand das Hospital, das mit seiner Geburt so oft, aber fälschlich in Verbindungen gebracht wird?
2. Wo befand sich sein Grab im Basler Münster?
Die Antworten:
1. Reiner Letzner hat zwar die Lage des Hospitals genau feststellen können. Münster jedoch ist natürlich zu Hause geboren, nicht in einem Hospiz für durchziehende Reisende, bloß weil sein Vater dort der finanziell Verantwortliche war; wo der Hof seiner Eltern stand, bleibt weiter unbekannt.
2. Bestattet wurde er mit großer Wahrscheinlichkeit im sogenannten "Reformatorengrab" im großen Kreuzgang des Basler Münsters, zusammen mit den Reformatoren Jakob Meyer zum Hirtzen, Johannes Oekolampad (in dessen Grabkammer) und Simon Grynäus.
Umschlag der Ausstellungspublikation des Historischen Vereins 2002 (= BIG 46),
gestaltet von Boris Sobotta
Die Ausstellung befasste sich mit einem Spezialthema aus Münsters Leben, nämlich mit seiner Kompetenz als Weinfachmann, deren Wurzeln sicherlich in Ingelheim gelegt worden sind.
Sebastian Münsters Portrait in der Kosmographie von 1628, der letzten Auflage
Sebastian Münster auf dem vorletzten 100-DM-Schein ab 1962, ein schwer fälschbares Bild nach einer Lithografie von P. Gross, 19. Jahrhundert. Alle seine Portraits stellen ihn als Gelehrten dar.
Am Schluss seiner Biographie in den "Beiträgen zur Ingelheimer Geschichte" Nr. 46 (2002) schrieb Karl Heinz Burmeister († 12.12.2014), der profundeste Kenner Sebastian Münsters und Mitglied des Historischen Vereins:
"Sein Schüler, der Hebraist und Mathematiker Oswald Schreckenfuchs, nahm es in die Hand, aus eigener Kenntnis möglichst viele Daten aus seiner Biographie Münsters der Nachwelt zu überliefern. Vor zahlreichen Studenten und Professoren der Universität Freiburg stellte er diese Daten in einer hebräisch geschriebenen Trauerrede zusammen und forderte seine Hörer auf:
„Wende dich zu dem starken Turm, den der gelehrte Meister Sebastian Münster erbaut hat, möge seine Seele im Garten Eden Ruhe finden, der mein edler Freund war, mein Lehrer. (...) Ich werde seinen Namen preisen so lange ich lebe, und ich will mit aller meiner Macht zu seiner Größe beitragen“. Schreckenfuchs hat vor 450 Jahren einen ersten Anfang gesetzt. Viele andere sind ihm seither in dem Bestreben gefolgt, „seinen Namen zu preisen“ und „zu seiner Größe beizutragen“.
Viele andere Gelehrte haben sich seither bemüht, Leben und Werk Sebastian Münsters zu erforschen und darzustellen, wobei in den letzten Jahrzehnten [nach den grundlegenden Forschungen von Karl Heinz Burmeister; Gs] der Historische Verein Ingelheim sozusagen die Federführung bei diesen Bestrebungen übernommen hat. Der 450. Todestag Sebastian Münsters hat im laufenden Jahr 2002 erneut Anlass gegeben, des großen Ingelheimer Gelehrten mit einer Ausstellung zu gedenken."
Die hiermit zusammenhängenden 68 Themenseiten (siehe die Seiten oben links in der Navigation, die noch weitere Unterseiten haben) sollen ein weiterer Versuch sein, "seinen Namen zu preisen" und "zu seiner Größe beizutragen".
Ingelheim hat ein Sebastian-Münster-Gymnasium, eine Sebastian-Münster-Straße im Gebiet der ehemaligen Pfalz, eine Denkmal von Karlheinz Oswald vor der Remigiuskirche und hat den Platz in der neuen Mitte nach ihm benannt.
Gs, erstmals 07.07.06; Stand: 04.10.24