Autor und Fotos: Hartmut Geißler
nach Karl Heinz Henn: Schloß und Hofgut Westerhaus, BIG 39, 1993, S. 69 ff.
und "Nachrichten über das Westerhaus", historisches Plakat nach S. Saalwächter, vom 20.05.1920, Archiv des Historischen Vereins
Während die Dörfer Ober-Ingelheim, Großwinternheim und Schwabenheim auf der östlichen Hangseite des Selztales liegen, wo sich aufgrund geologischer Gegebenheiten ein Quellhorizont öffnet, findet sich gegenüber am Westerberg nur eine einzige Stelle mit Quellwasser, nämlich da, wo heute das Hofgut Westerhaus liegt. Man hat von hier aus einen herrlichen Blick nach beiden Seiten ins Selztal hinein und nach Norden bis zum Rhein und in den Rheingau.
Das heutige Gebäudeensemble stammt aus der Zeit vom Ende des 18. bis ins 20. Jahrhundert.
Henn erwägt, dass an dieser Stelle durchaus schon ein römischer Gutshof, eine Villa rustica, gestanden haben könnte, auch wenn noch keinerlei archäologische Spuren davon gefunden wurden.
Sicher ist aber, dass sich dort im Mittelalter ein Gut befand, dessen Wald um 1194 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Es war damals ein Reichslehen im Besitz Werners II. von Bolanden, der zu dieser Zeit als Vogt der Pfalz zugleich mit Verwaltungs- und militärischen Aufgaben auch der oberste Gerichtsherr des Ingelheimer Reichsgrundes war, in Vertretung des Königs. In der Stauferzeit wurde es in ein Erblehen der Bolander umgewandelte. Dazu gehörte nach Saalwächter sicherlich ein Hofhaus, das im 13. oder 14. Jahrhundert erbaut worden sein dürfte.
Nachdem die Bolander in männlicher Linie ausgestorben waren, kamen Teile ihres Erbes auf den Grafen Heinrich II. von Sponheim-Dannenfels, der 1370 die Ritter Bechtold und Philipp von Ingelheim mit dem "Hof auf dem Westerberg" und seinem Wald belehnte.
In einer Urkunde von 1408 bestätigte Philipp von Ingelheim die Ansprüche zweier Edelleute, Hirt von Saulheim und Kuno von Scharfenstein:
"1408./ACTUM FERIA TERCIA ANTE PURIFIC:/MAR./ Item Her Philips von Ingelheim ritter had uffgegebin Hern Hirten und Cunen von Scharpinstein dem aldin sine pherde die er had und alle sine farnde habe zu Spurckenheim unds hus und hoff daselbis und auch dez hus und ecker uff deme westirberge biß uff sin widderruffe und enphinge dez in ire einig hant."
Saalwächter meinte allerdings, dass mit dem "hus" nicht ein Vorgängergebäude des heutigen Hofgutes Westerhaus, sondern der Familienbesitz in der Stiegelgasse 50 gemeint gewesen sei. Diese Edlen von Ingelheim, die 1655 "Reichsfreiherren" und 1737 "Grafen" wurden, behielten neben weiten anderen Ländereien auch das Hofgut Westerhaus als Kurpfälzer Erblehen, bis sie infolge der französischen Revolution 1792/93 ihre linksrheinischen Besitzungen aufgeben mussten.
Wer nach dem Aussterben der Sponheimer ihr Lehnsherr war, lässt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls hatte das Geschlecht derer von Ingelheim über 400 Jahre das Westerhaus inne und wollte es nach 1737 mit dem jetzigen Bau wohl zu einer Art Residenz einer Standesherrschaft auszubauen.
Zur Baugeschichte der Hofgutes ist bisher nichts bekannt; vielleicht aber enthält das Archiv der Grafen von Ingelheim in Mespelbrunn noch entsprechende Dokumente, die Aufschluss geben könnten; das zentral gelegene Gebäude mit dem Treppengiebel im Renaissancestil scheint jedenfalls der älteste Bauteil zu sein.
Noch am 10. Oktober 1793 war Graf Philipp Carl von Ingelheim (kurmainzischer Geheimrat und Obermarschall, Vicedom im Rheingau, 1738-1803) zu einem Huldigungsbesuch von Sporkenheim aus in seinem Besitz Gaulsheim gekommen, aber die französischen Heere, die Ende desselben Monats in die kampflos übergebene Festung Mainz einrücken konnten, machten dem Einfluss der Grafen von Ingelheim - wie dem anderer Adliger - auf dem linken Rheinufer, das 1797 förmlich Frankreich überlassen wurde, ein Ende.
Zwar versuchte Friedrich Carl Joseph von Ingelheim (kaisler. österr. und kgl. bayr. Geheimer Rat, Erzkämmerer des Hzgt. Nassau, Ritter des Malteserordens, 1777-1847) noch, seinen Anspruch auf das Westerhaus aufrecht zu erhalten, was aus seiner steuerlichen Veranlagung durch die Kantons-Verwaltung hervorgeht. Doch schließlich resignierte er und verkaufte das Anwesen für "den geringsten Teil des Wertes, da er nicht Unterthan der Jakobiner und eines gewaltthätigen Emporkömmlings sein wollte", wie es z. B. in Echters Stammbaum überliefert wird. Dieser Friedrich Carl Joseph von Ingelheim kaufte (stattdessen?) 1811 die 1540 als Erbe der Brömser von Rüdesheim in ingelheimischen Besitz gekommene, zerfallene Brömserburg in Rüdesheim und ließ sie von Georg Moller als romantische Wohnburg ausgestalten.
Über die verschiedenen bürgerlichen Besitzwechsel des Hofgutes Westerhaus im 19. Jahrhundert gibt es ebenfalls nur sehr spärliche Überlieferungen - finanzkräftig genug, um den repräsentativen schlossartigen Frontbau damals etwa noch errichten zu können, scheint keiner der neuen Besitzer gewesen zu sein. Nacheinander besaßen es die Familien Petsch, Fey und Keppler.
Erst mit dem Erwerb des Gutes durch Heinrich Opelaus der bekannten Rüsselsheimer Fabrikantenfamilie im Jahre 1900 ging es wieder bergauf.
Die 1917 geadelte Familie von Opel besitzt nun schon über 100 Jahre in der vierten Generation das renommierte Weingut mit seinem Gestüt (oben), jetzt durch Ivonne, geb. von Opel, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Johannes Graf von Schönburg-Glauchau das Weingut führt.
Gs, erstmals: 03.01.06; Stand: 18.12.20