Sie sind hier:   Von der Stauferzeit bis zur Mitte des 14. Jh.

Ingelheim von der Stauferburg zum Pfälzer Pfandgebiet, von Oppenheim aus verwaltet (13.-14. Jh.)


Autor und Fotos: Hartmut Geißler

nach Quellentexten der MGH,
nach Veröffentlichungen von Classen, Opll, Deutinger und Hinweisen von Holger Grewe

 

Inhalt:
1. Verfall des Palastes und Umbau zur Burg
2. Der Ingelheimer Saal - die ehemalige Pfalz - in der Funktion einer Burg
3. Die Vogtei der Bolander über Ingelheimer Reichsbesitz
4. Heinrichs VI. Aufenthalt und Urkunden Friedrichs II. und Heinrichs VII. aus Ingelheim
5. Von der Vogtei zu "Schultheißen" und "Schöffen"
6. Letzte Königsaufenthalte und die Verpfändungen der Ingelheimer Reichsabgaben

 

1. Verfall des Palastes und Umbau zur Burg 

Im Jahrhundert der Salier-Könige (von 1024 bis 1125) wurde es still um Ingelheim, ein Königsgut, das seit dem Hochzeitsfest Heinrichs III. im Jahre 1043 nie wieder für Großveranstaltungen genutzt wurde. So wurde ein Jahrhundert später das Hochzeitsfest Barbarossas mit der Burgunderin Beatrix (1156) nicht etwa in Ingelheim gefeiert, sondern in Würzburg. Die Salier bevorzugten in unserer Gegend die Bischofsstadt Mainz. Nur zur Absetzung des "Canossa-Kaisers" Heinrichs IV. am 31. Dezember des Jahres 1105 kamen die Reichsfürsten für einige Stunden vom Reichstag in Mainz nach "Ingelnheim", möglicherweise weil sie sich zu diesem Zweck hier von den Burgmannen besser geschützt fühlten als in Mainz unter unruhigen Bürgern, die als Anhänger Heinrichs IV. galten.

Auch von den beiden auf den Heinrich V. folgenden Königen, Lothar III. und dem ersten Staufer Konrad III., sind keine Aufenthalte mehr in Ingelheim überliefert.

Christian Rauch fragte sich deshalb (BIG 11, S. 16), ob nicht die (ehemalige) Pfalz schon während der ausgehenden Salierzeit dem Verfall preisgegeben worden sei. Reichsgut (sog. Tafelgut zur Versorgung des königlichen Hofes) blieb der Fiscus Ingelheim allerdings noch lange.

Classen stellte fest: "Seit dem 12. Jahrhundert ist das Ingelheimer Reichsgut ein Gebiet königlicher Dienstmannen oder Ministerialen, die bei persönlicher Unfreiheit als Eigenleute des Königs ein ritterliches Leben führen." (S. 122)

Der Mönch Rahewin, Sekretär und Fortsetzer des Barbarossa rühmenden Tatenberichtes des Freisinger Bischofs Otto, beschreibt etwa 1158/1160, also schon 6-8 Jahre (!) nach dem Regierungsantritt von Friedrich I. "Barbarossa", den Zustand der ehemaligen Pfalz-Gebäude Karls des Großen und die Baumaßnahmen des neuen Königs folgendermaßen:

"Palatia siquidem a Karolo Magno quondam pulcherrima fabricata et regias clarissimo opere decoratas aput Noviomagum et iuxta villam Inglinheim, opera quidem fortissima, sed iam tam neglectu quam vetustate fessa, decentissime reparavit et in eis maximam innatam sibi animi magnitudinem demonstravit" (IV, cap. 76)

Übersetzung (Gs):

Paläste, die von Karl dem Großen einstmals zwar wunderschön erbaut, und Königshöfe, die mit wunderbarem Bauschmuck verziert waren, bei Nimwegen, [und] neben dem Königshof Ingelheim, eigentlich sehr starke Bauwerke, die aber mittlerweile einerseits durch Vernachlässigung und andererseits durch ihr Alter baufällig geworden waren, hat er aufs Schönste wiederherstellen lassen und an ihnen seine ihm angeborene Großzügigkeit demonstriert.

Hierbei nennt er Paläste - so die Bedeutung zu seiner Zeit - und Königshöfe ("[aulas] regias"), durch "et/und" verbunden, als zwei scheinbar verschiedene Anlagen, obwohl zur Zeit der Verwendung des Begriffs Palatium dasselbe damit gemeint war. Denn es ist sicher, dass man in der Karolinger- und Ottonenzeit beide Begriffe oft für dieselben Anlagen verwendete. Aber solches Wissen darf man bei Rahewin 250 Jahre später nicht mehr voraussetzen, er konnte gar nicht mehr wissen, was eine karolingische "Pfalz" war. Wahrscheinlich versuchte er hier, die ihm vorliegenden Informationen mit seinem zeitgenössischen Wissen und dem Zitat aus Einhard in Einklang zu bringen. Seine Worte werden jedenfalls vielfach unhistorisch-falsch als "Renovierung von Pfalzen" aufgefasst.

Rahewin fährt fort:

"Bei (Kaisers-) Lautern hat er für einen Königspalast (hier: domus regalis), der aus roten Steinen gebaut ist, mit nicht geringerer Freigebigkeit gesorgt. Auf der einen Seite nämlich hat er ihn mit einer sehr starken Wehrmauer umgeben; auf der anderen Seite umgibt ihn ein Teich wie ein See, der Fische und Wasservögel jeder Art zum Vergnügen enthält, zum Anschauen ebenso wie zum Verzehren. Er hat auch einen anschließenden Tiergarten mit einer Menge von Hirschen und Rehen..."

Auch in Italien bei Monza, Lodi (beide Orte in der Umgebung von Mailand) und in anderen Orten und Städten habe er beim Renovieren von Palästen (da wieder: "palatiis") und kirchlichen Gebäuden eine solche finanzielle Großzügigkeit gezeigt, dass das ganze Reich eines so großen Kaisers auf ewig nicht auf­hört, ihm zu dienen und seiner zu gedenken.

Wie das hier Rahewin ausdrückt, waren das (Um-) Baumaßnahmen, die aus der königlichen Kasse großzügig bezuschusst oder finanziert wurden. Deutinger vermutet, dass Rahewin sich diese königliche Großzügigkeit auch für den Dom in Freising erhoffte, der bei einem Großbrand 1159 starken Schaden genommen hatte.

Seine Formulierung zu Nijmegen und Ingelheim lehnt sich in Auswahl der Bauwerke und in Diktion stark an Einhards Karlsbiografie an, die Rahewin in der Freisinger Dombibliothek vorfand, wie er auch in anderer Hinsicht Barbarossa mehrfach mit Karl dem Großen vergleicht. Die Stelle über Barbarossas Bautätigkeit ist eingebettet in einen überschwänglichen Lobpreis der Herrscherpersönlichkeit des Kaisers in dem zusammenfassenden Schlusskapitel.

Er habe auf den Wiesen der Taten des Kaisers Blumen gepflückt und einen schönen Kranz geflochten, äußert sich Rahewin. Ob er, der höchstwahrscheinlich selbst nie in Ingelheim war, sondern sich diese Informationen während eines Italienaufenthaltes (Mai/Juni 1157 in Pavia) vom Königshof beschafft haben dürfte (s. Deutinger), wirklich Genaueres über die hiesigen (Um-) Baumaßnahmen und die neue Nutzung des Ingelheimer Sales als Burg wusste, wird dadurch eher unwahrscheinlich. Er war zwar mit seinem Bischof Otto auf den Reichsversammlungen von Würzburg, Augsburg und Roncaglia, aber etwas Vergleichbares, an dem er hätte teilnehmen können, fand in Ingelheim bekanntlich schon lange nicht mehr statt.

Der Begriff "reparavit" (= "stellte wieder her") legt durch die Wahl des Perfekts eine Fertigstellung der Baumaßnahmen in der knappen Zeit von 1152 bis zur Fertigstellung von Rahewins Büchern im Juni 1160 nahe. Was Nijmegen angeht, so ermahnt Barbarossa seinen Sohn Heinrich in einem Brief noch 1189, also über 30 Jahre später, dass er sich um die Fertigstellung der Pfalz Nijmegen kümmern möge, die offenbar noch immer nicht fertig war, obwohl Barbarossa dort - im Unterschied zu Ingelheim - mehrfach nachzuweisen ist und Heinrich in dieser von den Staufern tatsächlich benutzten Pfalz 1165 geboren wurde. Man kann also wohl annehmen, dass sich auch die Ingelheimer Umbaumaßnahmen, das heißt die Um- oder Neubauten der wahrscheinlich verfallenen Pfalzgebäude, der Kirche (?) und der Erweiterung zum Zuckerberg, durchaus über eine längere Zeit, als es Rahewins Worte suggerieren, hingezogen haben.

Dolch (Reichsburg KL, S. 90) bemerkt zu Kaiserslautern:

"Kaiser Friedrich hatte sich seinen Palast als königliches Haus (domum regalem, wie Rahewin schrieb) errichtet, in dem Hoftage vorgesehen waren und auch statt­fanden. Es mussten in der Anlage repräsentative Räume, Gästezimmer und größe­re Vorratslager zur Verfügung stehen. Das Burgareal bot ausreichend Platz für Häuser der Burgmannenfamilien, gelegentlich anwesende oder hinzugezogene Herren der Region hielten sich zunehmend außerhalb der eigentlichen Reichsburg, aber innerhalb der Stadtmauern, auf dem später so genannten Rittersberg ihre ei­genen Häuser. Die Erstausstattung der Burg scheint mit erfahrenen Ministerialen aus dem Dienst am pfalzgräflichen Hof in Alzey (Pfalzgraf Konrad war ein Halb­bruder des Kaisers) und dem bischöflichen Hofe zu Worms erfolgt zu sein. Der Kaiser fand unter ihnen geeignete und willige Männer für Ämter an seinem Hofe und in der Verwaltung und im Rechtswesen, besonders auch für seine Züge nach Italien.“

Die "domus regalis" in Lautern der Stauferzeit war also eine Burg mit einem Palas/Palast, in der auch Burgmannen wohnten, kein ländliches Palatium wie zu Karolingerzeit.

Im altehrwürdigen Ingelheimer Königsgut, das schon zwei Jahrhunderte lang nicht mehr "palatium" genannt wurde, wurde schon lange nicht mehr "regiert". Man brauchte hier deshalb kein "renoviertes" Palatium, keine domus regalis mehr, das Gelände der verfallenen "Pfalz" stand wahrscheinlich völlig den Reichs-Burgmannen zur Verfügung, die sich in den Ruinen Häuser bauten. Ähnliches weist auch Brühl für die Pfalzen in Italien nach (S. 605 ff.). Dort wurden zwar einige Königspfalzen, wohl eher Paläste, die in Städten oder bei Klöstern lagen, erneuert, andere jedoch verfielen, z. B. die in Ravenna und sogar die in Rom.

Gleichwohl behielt im literarischen Bewusstsein jener Zeit  "Ingel(n)heim" als Stichwort für die berühmte Pfalz Karls des Großen immer noch einen festen Platz, um den sich Legenden rankten (Kaiserchronik, Legende vom Geburtsort Karls und das Treffen Hildegards von Bingen mit Friedrich Barbarossa).

Was deshalb bei den archäologisch vielfach nachweisbaren Bauarbeiten in staufischer Zeit, einer Zeit mit starkem Bevölkerungswachstum, entstand, war kein Königs-Palast mehr, keine "Pfalz", sondern eine Burganlage, bewohnt von Burgmannen. Außenmauern der ehemaligen Pfalzgebäude wurden zu Wehrmauern mit Bogenscharten umgebaut (nachweisbar im Nordflügel und im Halbkreisbau), die ursprüngliche Pfeilerhalle des Halbkreisbaues wurde zugemauert, einer der vorgelagerten Türme abgerissen und der gesamte Halbkreisbau wurde zur Wehrarchitektur umgestaltet.

Auch die "Aula regia" erlebte Umbaumaßnahmen, wurde aber als Gebäude erhalten, eine neue Wasserleitung aus ineinander gesteckten Tonröhren wurde in die alte, trocken gefallene, karolingische Leitung zum Nordflügel gelegt, ein Kachelofen an der Außenmauer der Aula-Apsis diente zum komfortablen Heizen eines Hauses. Und es müssen allmählich so viele königlichen Burgmannen im und am "Saal" gewohnt haben, dass der "Zuckerberg" in das ummauerte Gebiet einbezogen wurde, ähnlich dem Einbezug von Seelenhofen in die wieder aufgebauten Stadtmauern von Mainz.

Solche Erweiterungen von Wehrmauern wurden damals in vielen Städten vorgenommen, um Vorstädte in den Schutz der Mauern mit einzubeziehen. Deshalb ist auch für den Ingelheimer Saal zu vermuten, dass die Zuckerbergsiedlung schon vor der Mauererweiterung bestand und durch sie einbezogen wurde, obwohl man so die Länge der Mauer und damit den Aufwand einer möglichen Verteidigung erheblich vergrößerte. Da bisher alle Versuche erfolglos blieben, die genaue Erbauungszeiten der Ober-Ingelheimer Ortsbefestigung herauszubekommen, lässt sich wahrscheinlich auch nicht feststellen, ob diese Nieder-Ingelheimer Mauererweiterung zur selben Zeit stattfand wie die Erweiterung der Kirchenburg um St. Wigbert (Burgkirche) durch die Ober-Ingelheimer Ortsmauern.

Insgesamt entspricht das umgebaute Ingelheimer Gebäudeensemble im Saal nicht so ganz dem Bild, das sich die Forschung von einer staufischen Burg macht, in der Regel bestehend aus Turm, Ringmauer und Tor, Pallas und Kemenate als Wohnbauten, aus Küchen, Stallungen, Scheunen als Wirtschaftsbauten (Hotz, S. 20). Denn im Ingelheimer Saal fehlen ein Turm und ein Palas - es sei denn, man hält den Bolanderturm für den Bergfried und die fortbestehende Aula regia für den Palas. Anders ist auch, dass es keine kleine Burgkapelle über einem Eingangstor gab, sondern eine Kirche mittendrin, die für die Burgmannen allein eigentlich viel zu groß war. War sie vielleicht damals schon für Pilger gebaut, die den sagenhaften hl. Karl (den Großen) verehren wollten?

Auch die für staufische Burgen so typischen Buckelquader (z.B. im staufischen Kaiserslautern, am Trifels oder bei der Schwabsburg in der Nähe von Nierstein zu sehen) findet man in Ingelheim nicht. Wenn dies an der Art der Steine lag, die man verwendete, nämlich Kalksandsteine aus den hiesigen Steinbrüchen, dann wäre es vielleicht ein Hinweis, dass man die Kosten scheute oder es nicht für notwendig hielt, teuer herzustellende Buckelquader aus härteren Steinen anderer Steinbrüche behauen zu lassen und nach Ingelheim transportieren zu lassen, um Reichtum (wessen Reichtum?) auch hier zu zeigen.

Alles in allem: Der Ingelheimer Saal (bitte nicht mehr "Pfalz"!) war eine (etwas ungewöhnliche) Stauferburg geworden.


Auf dieser Übersicht, die dem Faltblatt zur Stauferausstellung im Museum 2010/11 entnommen wurde, sieht man stauferzeitliche Baumaßnahmen im Saal, in großen Kreisen gesicherte, in kleinen vermutete Bauten. Allerdings haben sich an keiner dieser Stellen bisher solche wertenvollen Bauschmuckstücke finden lassen, wie wir sie aus typischen staufischen Burgen wie Bad Wimpfen, Gelnhausen oder dem Trifels kennen oder vom Wormser Dom, der nach Baumuntersuchungen um 1162 erbaut worden sein soll (s. Hotz). Die Ingelheimer Burg, wenn wir sie trotzdem so nennen dürfen, wurde also offenbar nicht für neue königliche Veranstaltungen und Repräsentationsbedürfnisse umgebaut, sondern diente auf einfache Weise wohl nur dem Schutz königlicher Burgmannen.

Dass das Königsgut Ingelheim und seine Umbauten Barbarossa nicht besonders am Herzen lagen, kann man wahrscheinlich auch daraus lesen, dass er in seinem Abschiedsbrief zu Beginn seines Kreuzzuges vom November 1189 aus Philippopel an seinen Sohn König Heinrich diesen zwar ermahnt, sich um die Fertigstellung der Bauten in Nimwegen und Kaiserswerth zu kümmern, aber kein Wort über die ehemalige Ingelheimer Pfalz verlor (DD F I  4, S. 305).
 

Der Turnierplan von 1184:

Im Zusammenhang mit dem besonders prächtig gefeierten Hoffest Barbarossas aus Anlass der Festkrönung und Schwertleite seiner Söhne Heinrich und Friedrich in Mainz an Pfingsten 1184 war für die vielen Gäste (nach Gislebert von Mons, Chronicon Hanoniense, S. 142, 20.000 Ritter; andere berichten sogar von 70.000 Gästen) ein Turnier in Ingelheim geplant, am Schlusssonntag dieser Pfingstwoche. Das Turnier wurde aber nach einer Beratung der Fürsten abgesagt, weil während eines Unwetters am Dienstag nach Pfingsten eine eigens für die Mainzer Feier errichtete Holzkirche auf der Maarau sowie andere provisorische Holzbauten beim Zeltdorf einstürzten und Zelte fortgerissen wurden, mit 15 Toten, wie Arnold von Lübeck in seiner Slawenchronik III, 10 und Gislebert berichten.

Dieser nennt auch die Zahlen der Ritter, die mit den wichtigsten Fürsten gekommen waren:

- der Herzog von Böhmen mit 2000 Rittern
- der Herzog von Österreich mit 500 Rittern
- der Herzog von Sachsen mit 700 Rittern
- der Pfalzgraf bei Rhein mit 1000 ("oder mehr") Rittern
- der Landgraf von Thüringen mit 1000 ("oder mehr") Rittern
- Herr Konrad, Erzbischof von Mainz, mit 1000 Rittern
- Herr Philipp, Erzbischof von Köln, mit 1700 Rittern
- der Erzbischof von Magdeburg mit 600
- der Abt Conrad von Fulda mit 500 Rittern

Das allein sind, wenn die Zahlen korrekt sind, schon 9.000 Ritter, ohne ihre ca. drei regelmäßigen Begleiter und ihr sonstiges Gefolge. Offenbar konnte man damals auf oder neben dem weitläufigen Gelände der ehemaligen Ingelheimer Pfalz weiterhin Feste mit einem solch großen Personenkreis planen, nicht nur gegenüber von Mainz.

 

Reisewege in unserer Region:

Classen will freundlicherweise zwar nicht ausschließen, dass Barbarossa "gelegentlich" in Ingelheim Halt gemacht haben könnte, denn Königsgut und Saal lagen zwischen den beiden wichtigen Verbindungsstraßen zwischen Mainz und Bingen und jeder Reisende, der sie benutzte, kam stets durch Ingelheim, nicht nur an Ingelheim vorbei.

"Wenn von den rund 1000 Urkunden Barbarossas keine einzige in Ingelheim datiert ist und von den nicht wenigen annalistischen Quellen der Zeit keine einzige einen Kaiserbesuch dort nennt, so besagt das nur, daß die Pfalz nicht für wichtige Geschäfte benutzt wurde; einen gelegentlichen Aufenthalt schließt es nicht aus" (S. 125/26).

Wann aber hätte Barbarossa Gelegenheit dazu gehabt? Wenn die Könige zwischen Mainz und Bingen rheinabwärts den Transport mit Rheinschiffen vorzogen, dann fuhren sie zwar an der alten Pfalz vorbei, dürften hier aber nicht Station gemacht haben; oder aber, wenn sie rheinaufwärts ritten oder treidelten, dann dürften sie in unserer Region die übliche rechtsrheinische Treidelstrecke im Rheingau benutzt haben, ggf. auch den dortigen Rheinhöhenweg in Richtung Frankfurt. In beiden Fällen hätte ein Halt in Ingelheim keinen Nutzen gebracht.

Wahrscheinlich ist es auch, dass sie linksrheinisch diedirekte Route Bingen - Alzey - Worms wählten, wenn sie von Bingen direkt nach Worms (und umgekehrt) reisen wollten, denn ein Umweg über das Mainzer Rheinknie bedeutete über 16 Kilometer mehr laufen bzw. reiten zu müssen, also mehr als eine halbe Tagesreise.

In der langen Zeit seines Konfliktes mit der Stadt Mainz (1163-1183) ist Barbarossa sowieso nicht dort gewesen und deshalb, so wird man schließen müssen, auch nicht in Ingelheim.

In drei unter ihm neu gebauten Pfalzen bzw. besser "Burgen" ist Barbarossa (wahrscheinlich) nachweisbar:

- in Kaiserslautern 7 Mal
- in Gelnhausen 6 Mal
- und in Wimpfen 1 Mal

Und was die umliegenden Städte angeht, so ist er

- 10 Mal in Frankfurt nachweisbar
-   5 Mal in Mainz,
-   4 Mal in Sinzig am Mittelrhein, wo die Straße vom Rhein in Richtung Aachen abzweigte,
- 10 Mal in Speyer und
- 16 Mal in Worms, einer Stadt, der er besonders verbunden war.

Aber kein einziges Mal in Ingelheim. Auch von Barbarossas drei Vorgängern, Heinrich V. (abgesehen vom Tag der Absetzung seines Vaters), Lothar und Konrad ist kein Aufenthalt mehr in Ingelheim überliefert.

2. Die ehemalige Pfalz in der Funktion einer staufischen Burg

Aus der berühmten Versammlungs-, Repräsentations- und Festtagspfalz der Karolinger und Ottonen war also spätestens im 12. Jahrhundert eine befestigte Burg geworden. Allerdings dürfe man ihre Verteidigungsfähigkeit als nicht besonders hoch veranschlagen, schränkt Classen ein. So fehlten ein Bergfried (sofern nicht der Bolanderturm als solcher diente) oder Wohntürme, und die lange Mauer war durch die Einbeziehung des Zuckerberges eigentlich nur von einer zahlenmäßig sehr großen Truppe zu verteidigen. Andererseits bot sie geschützten Wohnraum für wahrscheinlich einige Burgmannen (-familien), die als bewaffnete Ritter den Kaiser auf seinen Feldzügen begleiten konnten und im Ingelheimer Reichsgebiet ihren Grundbesitz hatten. 

Unklar ist jedoch, für welchen Zweck die Saalkirche gebaut wurde. Ihr noch erhaltener spärlicher Bauschmuck stammt jedenfalls aus dieser stauferzeitlichen Epoche. Diente sie nur den im Saal ansässigen Rittern (und der Bevölkerung ringsum) als eigentlich viel zu große Filialkirche der Pfarrkirche St. Remigius? Die vergleichbar große Burgkapelle inmitten einer Burg in Querfurt, die 1162, also etwa zur selben Zeit, erbaut wurde, besaß ein schon vorher gegründetes Chorherrenstift und ein Patrozinium, während das Chorherrenstift in Ingelheim erst von Karl IV. 1354 gegründet wurde, also erst zweihundert Jahre später; für deren Pilgerbetreuung musste sie eigens renoviert werden. Einem Patrozinium der Saalkirche hat schon Andreas Saalwächter vergebens nachgespürt, als er sie noch für die Kirche des hl. Remigius hielt (BIG 14, S. 30/31).

Die südliche Erweiterungsmauer setzte im Osten an der Außenmauer des Südflügels des ehemaligen Halbkreisbaues an, der als Gebäude, wie Saalwächter (BIG 14, S.28) vermutet, schon im 10. Jahrhundert beim Bau der Saalkirche niedergelegt worden sein könnte. Die Stelle ist durch entsprechende Pflasterung in der Straße Im Saal gekennzeichnet.

Immerhin war diese Burg doch so stark befestigt, dass sie ein halbes Jahrhundert später, 1249, einer Belagerung durch Wilhelm von Holland anscheinend ca. 40 Tage lang standhielt, wenn es denn überhaupt eine Belagerung war, denn deren Einzelheiten bleiben unklar (vgl. Classen). Vielleicht hat Wilhelm hier auch nur in der und um die Reichsburg Quartier genommen, weil er lange zögerte, sich Mainz direkt zu nähern.

Die folgende Tafel des historischen Rundweges zeigt das vermutlich karolingische Pfalzareal in Blau (Bild links, genordet) und die staufische Erweiterung in Rot. Daneben ein Luftbild des Saalgebietes aus den 1930er Jahren (nach Süden), auf dem man noch gut den Verlauf der ehemaligen Wehrmauern und des Grabens an der heutigen runden Bebauung erkennen kann:

Fotos: HV/Geißler

Von dem Wehrmauerring sind noch erhebliche Reste erhalten, die allerdings in den oberen Mauerbereichen erst aus späteren Epochen stammen (ab 14. Jh.).

Hier als Beispiel das seit der Mitte des 19. Jh. von Cohausen, nie von Einheimischen, so genannte "Heidesheimer Tor", fotografiert von außen über den ehemaligen, aufgeschütteten Burggraben hinweg, von der Straße "Auf dem Graben".

Das hohe herausragende Wehrmauerstück links im Bild ist der fortifikatorisch umgebaute Mittelbau der karolingischen Pfeilerhalle im Halbkreisbau; aus ihr und anderen Außenmauern der karolingischen Pfalz entstand eine hoch- und spätmittelalterliche Wehrmauer, die als Außenwände späterer Bauernhäuser teilweise erhalten blieb:



In der Umgebung von Mainz, dessen Bürgerschaft durch die Ermordung des Erzbischofs Arnold von Selenhofen 1160, eines von Barbarossa geschätzten Beraters, einen massiven Konflikt mit Barbarossa hatte, der zum zeitweiligen Schleifen der Mainzer Mauern führte, ergänzten sich somit rheinaufwärts die Feste Landskrone in Oppenheim und rheinabwärts sozusagen "die Feste Ingelheim".

Die Staufer hielten am Ingelheimer Reichsbesitz fest, da er im Ingelheimer Grund reich begütert war und so die staufischen Dienstmannen und Ritter besser ernähren konnte als manche stärkere Burg, meint Classen (S. 122). Siehe Servitien!

3. Die Vogtei der Bolander über Ingelheimer Reichsbesitz

Vögte waren Vertreter des Königs. Sie hatten den Vorsitz im Gericht und waren für die Landesverteidigung zuständig. Ihr Amtssitz lag meist in einer Burg, in Ingelheim wohl im Saal, wo es später ein Gebäude der "Fauthei" gab (heute: Im Saal Nr. 14).

Die Vogtei über den gesamten Ingelheimer Grund war zumindest seit den 1160er Jahren dem Reichsministeriale Werner II. von Bolanden übertragen worden, einem engen Vertrauten Barbarossas, der ihm am Rhein und im Worms- und Nahegau viele Güter verliehen hatte. Werners große Bedeutung für Barbarossa kann man wahrscheinlich an einer politischen Aktion erkennen, bei der er im Mai 1187 auf Befehl des Kaisers den Bischof Bertram von Metz aus seinem Bistum und Besitz vertrieb, als "Bote des Kaisers" ("per Wernerum de Bolant, nuncium imperatoris"; Chronica regia Coloniensis, IV, p. 135 zu 1187).

Kommt dieser Werner von Bolanden vielleicht als Organisator des Umbaus der ehemaligen Pfalz zu einer Burg und des Turnierprojektes in Betracht? Dann ließe sich auch eine gerade Linie zu einer Zollburg der Bolander im Saal ziehen. Noch im Jahr der Gründung des Rheinischen Städtebundes (1254) zerstörten die Mainzer nämlich eine solche Zollburg des Bolanders Werner IV. "in Ingelheim", wie es in der Wormser Chronik heißt, ähnlich wie schon vier Jahre zuvor die Weisenauer Burg, deren Reste heute völlig verschwunden sind.

Werners Lehensbuch (von 1194/98) verzeichnet u.a.:
"Die Vogtei über beide Ingelnheim und über Winternheim, über den oberen Teil Bubenheims, auch über Wackernheim und Weinheim, über das Kloster Hausen. Und mein (und keinem anderen) ist das Lehen zwischen Appenheim und Ingelnheim und das Dorf Daxweiler und alles, was an Wald dazugehört, der Soonwald genannt wird und zu jenem Hof(gut) gehört. Die Münze in Ingelnheim, den Weinzehnt in Oppenheim und den Hof zu Mannendahl" (= Mandel bei Bad Kreuznach; Ingelnheim mit dem mittleren -n- an allen drei Stellen in der originalen Handschrift - HHSTA Wi, 304, C 33).

Classen (S. 123) nennt dies die erste Beschreibung dessen, was man später "Ingelheimer Reich" oder "Ingelheimer Grund" nennt. Elsheim gehörte erst ab 1382 dazu.

 

4. Heinrichs VI. Aufenthalt und Urkunden Friedrichs II. und Heinrichs VII. in Ingelheim

Möglicherweise war der zweite Sohn Barbarossas, Heinrich VI., einmal in Ingelheim, und zwar anlässlich eines Treffens mit dem Grafen Balduin aus dem Hennegau (Gisleberti Chronicon Hanonien. SS 21, 556).  Dazu heißt es in der Chronik, dass der Graf nach Ostern 1188 über Luxemburg und Trier dem König Heinrich entgegen zog und diesen "apud Engelehen imperiale palatium" (bei dem Kaiserpalast Ingelheim? – eine für die Stauferzeit äußerst ungewöhnliche Ausdrucksweise) traf. Das lateinische Wort "apud" meint in dieser Zeit ein Treffen an einem Ort (wie das französische à), es muss kein bestimmtes Gebäude damit gemeint sein. Nach der Besprechung habe ihn Heinrich mit einigen seiner Sekretäre zu seinem Vater (Barbarossa) nach Seligenstadt geschickt.

Nach Barbarossas Tod beim Kreuzzug in Kleinasien und dem frühen Tod dieses Sohnes Heinrich VI. brachen Thronstreitigkeiten aus, in denen sich schließlich der Sizilianer und Enkel Barbarossas Friedrich II. als deutscher König durchsetzte. Sein Interessenschwerpunkt lag aber bekanntlich im Mittelmeerraum und nicht in Deutschland.

Bei seinen seltenen Besuchen in Deutschland benutzte er, wenn überhaupt eine Pfalz, dann die Pfalz seines Großvaters Barbarossa in Hagenau im Elsass, u. a. wegen ihrer großen Bibliothek. Seine Hoftage fanden überwiegend in Städten statt, z. B. in Basel. Nach dem Urkundenbuch der Abtei Eberbach, hg. v. Rossel, soll allerdings eine umstrittene Urkunde von ihm in (wieder: "apud") Ingelheim ausgestellt worden, ohne Jahresangabe, vermutet wird 1214 (oder 1217).

Ebenso soll eine Urkunde von seinem Sohn Heinrich VII. (bzw. von dessen Vormund Erzbischof Engelbert v. Köln, denn Heinrich war zu der Zeit erst 14 Jahre alt) auf der Durchreise am 23. August 1225 (umstritten) "apud Ingelnheim" ausgefertigt worden sein, wieder für das Kloster Eberbach, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die verkehrsgünstig gelegene Pfalz Ingelheim - das Hofgut und/oder die Burganlage - immer noch für die gelegentliche Beherbergung hoher Gäste geeignet war.

Die Staufer bevorzugten in unserer Gegend Oppenheim, aber auch Boppard, Oberwesel und Andernach.
 

5. Von der Vogtei zu "Schultheißen" und "Schöffen"

Die Einrichtung einer Vogtei für die Ingelheimer Dörfer scheint nach Classen unter den späteren Staufern einer anderen Verwaltungsform gewichen zu sein, denn in Urkunden tauchen nun (1194/98, 1205) "Schultheißen" auf - je einer für die beiden Ingelheim - und "Schöffen" von Ingelheim, Einwohner von Ingelheim und Schöffen der Ingelheimer Gerichte.

Trotz der turbulenten Zeiten des Interregnums wurde das Ingelheimer Reichsgebiet damals noch nicht dem königlichen Besitz entfremdet. Auch wenn für längere Zeit kein Besuch eines Königs in Ingelheim nachzuweisen ist, so blieb es doch Reichsland.

"Friedrich Barbarossa hatte die „Kaiserpfalz“ erneuert, aber mit Recht nennt der Kölner Chronist sie kaum ein Jahrhundert später „königliche Burg“. Eine andere Quelle spricht anläßlich der Belagerung Wilhelms von Holland gar nur vom königlichen Wirtschaftshof (curtis). Die Eroberungen von 1249 und 1254 beenden aber auch die Geschichte der Reichsburg Ingelheim. Was bleibt, ist ein sich unter königlicher Hoheit selbständig verwaltender Bereich von Reichsgütern mit befestigten Dörfern und einer Ritterschaft, die ihre Reichsfreiheit zu bewahren sucht.“ (Classen, S. 129)

Welche Bedeutung die Stadt Mainz demgegenüber in der folgenden Zeit besaß, wird im Buch "Die Mainzer Kurfürsten 1259-1802", S. 46 (Verfasser ungenannt), beschrieben:

"Das hohe Ansehen, das sich die Stadt Mainz im Kreis der Städte zur Zeit des Rheinischen Bundes erworben hatte, blieb auch nach dessen Zusammenbruch bestehen. Die zweite Hälfte des 13. und ersten drei Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts stellen eine Glanzzeit der Mainzer mittelalterlichen Stadtgeschichte dar. Mainz war das Haupt und der Mittelpunkt eines Städtebundes, der die ganze Kraft des Reiches in sich vereinigte, Sitzungsort der wichtigsten Reichs- und Hoftage, Konzilien und Staatsversammlungen. Es erhielt den Beinamen das "Goldene Mainz". Der benachbarte Adel war stolz darauf den Bürgertitel zu erhalten oder in Fehden als Söldner zu dienen. Mächtige Fürsten warben um seine Freundschaft und fürchteten seine Feindschaft. Besonders erfreuten sich die Einwohner der Stadt eines beachtlichen Wohlstandes. Sie veranstalteten Turniere, besaßen weitläufige Lehen, waren stolz auf ihre Macht. Ihren Reichtum verwandten sie auf Stiftung von Klöstern, Hospitälern und auf die Verschönerung der Stadt. Ihre Einkünfte verdankten sie dem Handel. ... Die gotische Architektur hatte ihren Höhepunkt erreicht. Gegenüber den geschützten Stadtbewohnern waren die Landleute immer den Gewalttätigkeiten der streitenden Parteien ausgesetzt. Ihr einziger Schutz bestand darin, sich als Pfahlbürger aufnehmen zu lassen, da der Schutz der Städte sicherer war als der Schirm der Fürsten."

Die Mauern des Saales wurden wieder aufgebaut, und auch in Ober-Ingelheim wurden zuerst die Mauern der Kirchenburg erbaut und später Wehrmauern für den ganzen weitläufigen Ort errichtet. Aber an Reichsveranstaltungen und Turniere in Ingelheim war nicht mehr zu denken.


6. Letzte Königsaufenthalte und die Verpfändungen der Ingelheimer Reichsabgaben

Die Jahrzehnte vor und nach 1300 waren eine politisch turbulente Zeit einer schwachen Zentralgewalt, der Kämpfe von Reichsfürsten untereinander und der Kämpfe verschiedener Thronprätendenten um die deutsche Königskrone. Hinzu kam der Aufstieg Frankreichs und die Zeit der Päpste in Avignon. Es war jedenfalls keine Zeit, um in Ingelheim Reichsversammlungen oder fröhliche Feste durchzuführen, der Ort diente höchstens zum Durchzug von Heeren. Letzte Königsaufenthalte in Ingelheim waren nach den Ortsangaben von Urkunden die Besuche folgender Könige, ohne dass Chroniken darüber berichten:

- Wilhelm von Holland bei der Belagerung des Saales 1249

- Adolf von Nassau, der in Ingelheim übernachtet haben dürfte, weil drei seiner Urkunden am 25. und 26. Oktober 1292 hier ausgestellt worden sind (Böhmer, Regesta imperii 1844, Nr. 53-55)

- Albrecht I. von Österreich nach einer Urkunde vom 1. September 1298 (MGH Const. IV.1, 13)

Demgegenüber stehen 27 Aufenthalte der Könige von Rudolf I. bis Albrecht I. in der Reichsstadt Oppenheim.

Die königlichen Einkünfte des Ingelheimer Reichsgrundes, die höchsten aus den nichtstädtischen Besitzungen, sie gab es immer noch, ebenso die zwei viel benutzten Straßen zwischen Mainz und Bingen durch Nieder-Ingelheim hindurch, vorbei an Saal und Remigiuskirche. Dieses Königsland wurde in den Verpfändungsurkunden (Classen S. 132) bezeichnet als "Ingelnheim und Ingelnheim, Winternheim und was dazu gehört". Diese königlichen Einnahmen  wurden nun - wie schon die Einkünfte anderer Reichsgüter zuvor - im 14. Jahrhundert mehrfach verpfändet:

- erstmals vielleicht durch König Adolf von Nassau an die Grafen Johannes und Simon von Sponheim (indirekt aus einer späteren Urkunde erschlossen)
- im Januar 1315 durch König Ludwig von Bayern für 2000 Kölnische Mark an den Erzbischof von Mainz Peter von Aspelt (wahrscheinlich im Zusammenhang mit dessen Unterstützung bei der Königsdoppelwahl 1314)
- und in den Jahren 1375/76 schließlich an den Kurfürsten von der Pfalz bei Rhein

Dadurch wurde auch der Ingelheimer "Saal", wie das königliche Burgareal allgemein genannt wurde, eine pfälzische Burg und war als solche noch in langer Benutzung, aber diente nie mehr als Ort für politische Treffen; auch nicht für die vielen Treffen des pfälzischen Kurfürsten Ludwig III. mit seinen anderen rheinischen Kurkollegen - sie alle fanden in Koblenz, Oberwesel, Bacharach, Boppard oder Bingen statt, also in Städten.

Allerdings wurde die Ingelheimer Gerichtsbarkeit nicht eingeschränkt und die Ingelheimer blieben persönlich frei, freie Reichsleute, die einen eigenen Personalverband auf territorialer Grundlage bildeten, wie Classen ihn charakterisiert. Deshalb wurden sie auch im Spätmittelalter mitunter "Bürger" genannt.


Sebastian Münster beschreibt in der Mitte des 16. Jahrhunderts etwas melancholisch den Zustand des Saales in seinem Geburtsort (Nieder-) Ingelheim:

"Dann do ligt ein schlosß / das man jetztunt den Ingelheimer sal nent / das vor acht hundert jaren des grossen keyser Carles pallast gewesen ist... Alle alten gebew seind auch fast verfallen / on die Creützkirch. Die rinckmaur und der graben seind auch noch in gutem wesen..."

Denn da liegt ein Schloss (d.h. eine Burg), das man jetzt den Ingelheimer Saal nennt, das vor achthundert Jahren des großen Kaiser Karls Palast gewesen ist... Alle alten Gebäude sind auch ziemlich verfallen, abgesehen von der Kreuzkirche (d. h. der heutigen Saalkirche). Die Ringmauer und der Graben sind auch noch in gutem Zustand.

Zu seiner Zeit nahm man den ehemaligen Palast Karls nur noch als die von einer Wehrmauer umgebene Burganlage wahr und hatte keine Ahnung mehr vom Königshof bei der Remigiuskirche, vom Nordflügel und dem imposanten Halbkreisbau im Osten des Palatiums. Denn deren Mauerreste waren im Wehrmauerring aufgegangen und ihre Grundmauern lagen bis zu drei Meter tief im angewachsenen Boden.

Dies sieht man auch auf den beiden Abbildungen Sebastian Münsters. Und wenn man damals Spuren Karls suchte, so vermutete man sie nur noch in den sichtbaren, z. T. aber auch schon ruinösen Bauten im Westen des Saales, also in der heute sogenannten Aula regia, deren Apsis und Seitenwände zum Teil noch standen, und in den sich nach Norden anschließenden Bauten, die seit dem 14. Jh. als Sitz des Augustiner-Chorherrenstiftes dienten und nach dessen Säkularisation als Sitz des Kurpfälzer Schaffners. Im 17. und 18. Jahrhundert (und auch oft danach) hielt man die immer noch sichtbaren Reste der Aula regia sogar für die Kirche der Augustiner, obwohl diese Königshalle gesüdet, nicht geostet war.

Durch die Literatur aber, vor allem durch Einhard und die Annalen, lebte die Erinnerung an Karls Pfalz in Ingelheim weiter. Jedoch erst die Archäologen des 20. Jahrhunderts haben die karolingische Pfalz wieder aufgedeckt.

 

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Gs, erstmals: 20.08.05; Stand: 15.01.24